Innerrhoden macht sich zur Lachnummer

Mit viel Getöse meldet sich der Kanton Appenzell Innerrhoden von X, vormals Twitter, ab. Der effektive Verlust ist verschmerzbar. Darüber sprechen sollten wir dennoch, weil es viel über das Verhältnis zwischen den Staatsorganen und den einfachen Leuten aussagt.

2022 eröffnete der Kanton Appenzell Innerrhoden auf X, damals noch Twitter, einen Account. Dort wurde die Bevölkerung über mehr oder weniger relevante Ereignisse rund um Regierung und Verwaltung in Kenntnis gesetzt. Das Interesse blieb bescheiden. Zuletzt hatte der Account etwa 170 Follower. Man muss selbst als kleiner Kanton schon fast verdeckt agieren, um bei dieser Zahl zu stagnieren.

Nun hat Innerrhoden den Kanal deaktiviert beziehungsweise gelöscht. Im Regionaljournal Ostschweiz von Radio SRF erklärt der Ratsschreiber diesen Schritt sinngemäss damit, dass man nicht mehr mit der Plattform assoziiert werden wolle. Deren Ruf habe seit der Übernahme durch Elon Musk gelitten. Eine Rückfrage macht deutlich, dass nicht etwa die Innerrhoder Bevölkerung diese Massnahme gefordert hatte, sondern die Regierung oder auch die Verwaltung von selbst auf die glorreiche Idee gekommen ist.

Wie es dazu kam, ist nicht schwer zu erraten. Seit Elon Musk Twitter gekauft und X daraus gemacht hat, schiessen die Mainstreammedien aus vollen Rohren auf ihn. Woke-Konzerne wie Disney und andere (die an dieser Seuche gerade ökonomisch ersticken) zogen sich als Kunden zurück. Dass die Plattform nicht mehr alles zensiert, was nicht den staatlichen Direktiven entspricht, dass unpopuläre Meinungen nicht einfach ausgeschlossen werden: Damit tun sie sich alle schwer.

Und das hat man nun offenbar im kleinen Appenzell Innerrhoden gemerkt und daraus den Schluss gezogen, ein Verbleib bei X wäre möglicherweise imageschädigend. Basierend auf dem, was der Ratsschreiber oder die Mitglieder der Standeskommission, wie die Regierung im Kanton heisst, eben so lesen in ihren Leib- und Magenblätter. Es wäre ja überaus mühsam, sich selbst kundig zu machen. Beispielsweise über die «Twitter Files», die offenlegten, wie Musks Vorgänger skrupellos mit US-Behörden wie FBI und CIA zusammenarbeiteten, um möglichst nur staatstreue Wortmeldungen zuzulassen.

Danke für Ihre freiwillige Unterstützung.

Ich habe selbst bis zu diesem Frühling 18 Jahre lang in Appenzell Innerrhoden gewohnt. Ich kann von mir behaupten, dass ich in dieser Zeit Land und Leute kennengelernt habe. Ich habe erfahren, wie staatskritisch die Bevölkerung ist, wie sie sich sichtbarem Unsinn kreativ widersetzt und wie viel Wertschätzung Freiheit und Souveränität hier geniessen. Das lässt sich auch an den meisten Abstimmungsresultaten ablesen.

Mit Sicherheit hatten also nicht die Innerrhoder selbst ein Problem damit, dass ihr Kanton auf einer Plattform vertreten ist, die gegen Zensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit einsteht. Ganz im Gegenteil, das entspricht ihrer DNA. Nur die Leute, die sie einst mal gewählt haben, versuchen offenbar, den aus den USA importierten Woke-Wahn zu imitieren.

Angesichts der bescheidenen 170 Follower wird nun kaum ein Volkssturm aufs Rathaus zu befürchten sein. Die meisten Bürger werden es nicht mal mitgekriegt haben. Harmlos ist der Vorgang dennoch nicht. Er zeigt exemplarisch die Entfremdung zwischen «oben» und «unten». Regierungen spüren sich selbst nicht mehr – und erst recht nicht, wie ihre Leute ticken. In vorauseilendem Gehorsam aufgrund einer medialen und überaus durchsichtigen Kampagne eine Art «Zeichen» setzen zu wollen, ist hochnotpeinlich.

Der Thurgau überlegt sich laut dem erwähnten Radiobericht übrigens denselben Schritt. Der hat immerhin knapp 2500 Follower, die dort mit offiziellen Regierungsverlautbarungen beglückt werden. Die Argumentation ist dieselbe wie in Innerrhoden. Konkret festmachen können es die Verantwortlichen zwar nicht, aber sie haben eben gehört oder gelesen, dass dieses X irgendwie pfui ist, und das will man schliesslich nicht unterstützen.

Das sind die Leute, denen wir die Führung unseres Staatswesens anvertrauen. Na dann Prost.

Vollends furchtbar wird es, wenn diese Leute im Zusammenhang mit solchem blinden Aktionismus von «Haltung» sprechen, die sie an den Tag legen wollen. Den Begriff haben sie offenbar völlig falsch verstanden. Haltung wäre es, sich nicht von einseitiger medialer Berichterstattung aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen und an seiner Position festzuhalten. Das ist hier ist das Gegenteil davon.

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PS: Ich mag meine frühere Wahlheimat immer noch. Appenzell Innerrhoden besteht nicht aus seiner Regierung und seinem Ratsschreiber. Die tief verankerte Mentalität der Menschen dort wird noch dieselbe sein, wenn diese Leute längst Geschichte sind.