Nun muss eben die Hitze töten

Ein garantiert völlig zusammengelogenes geheimes Protokoll einer Besprechung im Bundesamt für Gesundheit.    

Sitzungsführer: Guten Tag allerseits. Ich hoffe, Sie haben sich alle vorbereitet. Wir müssen mal wieder ausbügeln, was die Kollegen beim Bundesamt für Statistik verbrochen haben.  

Mitarbeiter 1: Was ist es dieses Mal?  

Sitzungsführer: Nichts Neues. Die Leute sterben wie die Fliegen laut den Zahlen, aber keiner weiss, warum. Das müssen natürlich wir wieder erklären, weil wir für die Gesundheit zuständig sind.  

Mitarbeiter 2: Nehmen wir doch einfach wieder Corona.

Sitzungsführer: Ja, das lassen wir natürlich weiterlaufen, es wird aber langsam etwas schwierig, da läuft ja kaum mehr was. Meinen Schwager haben sie gerade wegen einem eingewachsenen Zehennagel für zwei Wochen hospitalisiert, um die Betten voll zu kriegen.  

Mitarbeiter 3: Kommt er durch?  

Mitarbeiter 1: Ich würde ihn sicherheitshalber auf Corona testen lassen. Nur für den Fall, dass er es nicht schafft.  

Sitzungsführer: Wurde bereits erledigt. Aber eben: Wie erklären wir die Übersterblichkeit?  

Mitarbeiter 2: War da nicht mal was mit den Affenpocken?  

Mitarbeiter 3: Das Dossier liegt bei mir. Ich habe die letzte Woche damit verbracht, die Grafik mit den bisherigen vier Betroffenen aufzumotzen. Die Kurve sieht nun recht beeindruckend aus, aber das reicht kaum aus als Erklärung.  

Mitarbeiter 1: Die Sommergrippe vielleicht?  

Sitzungsführer: Ganz schlecht. Die Grippe haben wir ja bereits offiziell abgeschafft, nun können wir doch die Leute nicht daran sterben lassen.  

Mitarbeiter 2: Der Wolf ist gerade ganz schön in den Schlagzeilen.  

Mitarbeiter 3: Du willst die aktuelle Übersterblichkeit mit Wolfsrissen begründen?  

Mitarbeiter 2: Es wäre immerhin ein Anfang.  

Sitzungsführer: Wir müssen aber erklären, warum nicht nur die Leute in Graubünden und im Wallis sterben. Oder wütet der Wolf vielleicht auch in Oerlikon? Also, weitere Ideen?  

Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

Mitarbeiter 1: Es ist ja ziemlich heiss. Vielleicht kann man daraus was machen?  

Mitarbeiter 3: Brillant! Hohe Temperaturen gehen auf den Organismus, das weiss jeder.  

Sitzungsführer: Ich weiss nicht recht… Hitze ist ja nicht übertragbar. Mir wäre etwas lieber, das man weitergeben kann. Sonst können wir ja gar niemanden einsperren.  

Mitarbeiter 1: Wieso denn nicht? Wir verordnen ein Ausgangsverbot wegen Hitzewelle!  

Mitarbeiter 2: Genau. Vielleicht verbunden mit einem Hitzezertifikat? Raus darf nur, wer belegen kann, dass er sich mit Sonnenschutz 50 eingerieben oder 15 Liter Wasser getrunken hat.  

Mitarbeiter 3: Hilft Sonnencréme denn gegen die Hitze?  

Mitarbeiter 2: Nein, aber es sagt ja niemand, dass es etwas nützen muss. Haben wir darauf je geachtet?  

Sitzungsführer: Gut, warum eigentlich nicht. Das einzige Problem ist, dass die Hitze irgendwann wieder zurückgeht.  

Mitarbeiter 1: Sagt das der Wetterbericht?  

Sitzungsführer: Nein, das sagt der Kalender! Nach dem Sommer wird es in der Regel wieder kühler. Jedenfalls nach meinen Informationen.  

Mitarbeiter 2: Das passt doch. Die Hitze bringt die Leute um. Sobald es kühler wird, sterben die Leute wegen der plötzlichen Temperaturschwankung. Und danach sterben sie, weil es kalt ist.  

Mitarbeiter 3: Meine Güte, das ist grandios, damit lässt sich ja die Übersterblichkeit des ganzen Jahrs erklären!  

Mitarbeiter 1: Und wer kein Zertifikat vorweisen kann, darf nur in die Arktis und in die Antarktis reisen. Wir könnten auch Hitze-Testcenter einrichten. Mit Bratwurst vom Grill.

Mitarbeiter 2: Grill? Wird es dann nicht noch heisser?

Sitzungsführer: Details können wir später besprechen. Bitte eine Medienmitteilung vorbereiten und Marc Walder anrufen. Ich organisiere inzwischen mal den Aufbau einer Hitze-Task-Force. Wie heisst dieser Uniprofessor, der immer so unsäglich schwitzt? Der wäre gut für den Vorsitz.  

Mitarbeiter 2: Ich sage dem Berset Bescheid, der soll eine Medienkonferenz durchführen.  

Sitzungsführer: Einverstanden. Aber sag ihm bitte einfach, dass das Hitzezertifikat kein Beleg dafür ist, dass man nicht von Hitze angesteckt werden kann. Das Theater vom letzten Mal brauche ich nicht mehr.

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Und nun alle gegen den Krebs!

Das Pharmaunternehmen Biontech hat Milliarden an Gewinnen gemacht dank Corona. Nun ist es vorbei mit der Goldgrube, eine neue muss her. Wir schauen exklusiv hinter die Kulissen der Firma – mit einem (fiktiven) Gesprächsprotokoll.

Mr Bion: Hast du gelesen? «Die Corona-Goldgrube leert sich.»

Mr Tech: Wer sagt das?

Mr Bion: Steht in der Zeitung. In der Frankfurter Allgemeinen. Die waren immer nett zu uns. Muss also stimmen.

Mr Tech: Naja, das hat wohl was. Günther von der Sales-Abteilung hat mir vorhin vorgerechnet, dass spätestens 2032 die letzten Impfstoffvorbestellungen der Staaten auslaufen. Aber dann bin ich eh pensioniert, das betrifft mich nicht mehr.

Mr Bion: Den Hamstern sei Dank! Aber ich muss dann noch ein paar Jahre arbeiten. Was tun wir also?

Mr Tech: Wir haben ja einiges in der Pipeline. Nachdem wir Milliarden gemacht haben, indem wir Covid-19 nicht besiegt haben, könnten wir nun einfach Milliarden machen, indem wir den Krebs nicht besiegen. Hat ja schon einmal gut funktioniert.

Mr Bion: Die Frage ist, ob uns die Leute jetzt noch glauben, dass dieses mNRA…

Mr Tech: (unterbricht) … mRNA…

Mr Bion: Ja, sorry, verdammter Zungenbrecher. Also, jedenfalls, dass dieses Genzeugs was bringt. Scheint mir recht viel Misstrauen gegeben zu haben in letzter Zeit.

Mr Tech: Das ist nicht unser Problem. Wir haben nicht ohne Grund die Marketingabteilung aufgelöst, weil die Regierungen und die Zeitungen diesen Job übernommen haben. Das wird beim Krebs auch funktionieren.

Mr Bion: Das Doofe ist ja, dass Krebs nicht ansteckend ist. Da kann man weniger Hysterie entfachen.

Mr Tech: Wer sagt, dass das so bleiben muss?

Mr Bion: Äh, was?

Mr Tech: Also bitte. Man hat uns geglaubt, dass wir innerhalb weniger Monate eine zu 95 Prozent wirksame Impfung ohne Nebenwirkungen auf den Markt werfen können. Man hat uns geglaubt, dass das Ding eine Ansteckung verhindert. Und man hat mit einem untauglichen Test aus jedem Huster die Pest gemacht. Wieso sollte das bei Krebs nicht funktionieren?

Mr Bion: Naja, für diese Diagnose braucht es ja mehr als ein Wattestäbchen.

Mr Tech: Wieso eigentlich? Wir spannen mit den Kollegen in der Schweiz zusammen, die Tests entwickeln. Die werfen dann ein Kit auf den Markt, mit dem sich angeblich Tumore positiv nachweisen lassen. Das tun sie dann nach dem Zufallsprinzip in jedem vierten Fall…

Mr Bion: (unterbricht) … könnten wir sagen: in jedem dritten Fall? Das gäbe ein grösseres Kundenvolumen. Ich habe gerade eine Anzahlung für eine Yacht gemacht.

Mr Tech: Meinetwegen, spielt ja keine Rolle. Jedenfalls hat dann jeder Dritte oder Vierte angeblich Krebs und braucht unseren Wirkstoff dagegen, und schon rollt der Rubel wieder.

Mr Bion: Haben wir denn schon einen Wirkstoff gegen Krebs?

Mr Tech: Nein, aber das spielt doch keine Rolle. Wir haben noch grosse Restbestände von dieser Anti-Pickel-Mixtur, für die wir mal die Rechte gekauft haben, die können wir einfach neu beschriften. Da die Leute ja zu 99 Prozent gar keinen Krebs haben, werden sie danach glauben, unser Medikament habe ihn beseitigt, wenn sie nicht sterben.

Mr Bion: Genial. Aber wie bringen wir die grosse Masse überhaupt dazu, sich testen zu lassen? Krebs ist ja kein Virus. Da braucht es ja einen, keine Ahnung, Anfangsverdacht? Ich meine, die Ärzte haben sich bei Covid-19 ja schon für uns einspannen lassen, aber bei Krebs?

Mr Tech: Wir setzen die Medien ein. Die sollen die Meldung verbreiten, Krebs übertrage sich neuerdings über… mal nachdenken… – Strom.

Mr Bion: Über Strom? Wieso denn das?

Mr Tech: Naja, bald gibt es ja keine Autos mehr, die mit fossilen Energien betrieben werden. Wenn wir denen die Schuld geben, ist das Geschäft irgendwann dahin. Wir müssen etwas nehmen, das es immer gibt.

Mr Bion: Handyantennen!

Mr Tech: Ja, warum nicht. Klingt gut. Strahlung von Antennen und Strom aus der Steckdose können zu Krebs führen. Und wenn man ihn mal erwischt hat, überträgt man ihn durch Berührung oder Ausatmung in der Nähe an Dritte. Das sollte reichen für einen Schuss Panik. Ich sehe es schon vor mir: «Lassen Sie sich jetzt gratis testen!»

Mr Bion: Dann hoffe ich nur, dass die Konkurrenz nicht schneller ist!

Mr Tech: Wie sollte sie? Wir haben das ja gerade erst erfunden. Natürlich werden sie danach auf den Zug aufspringen, aber wir haben dann einen Vorsprung.

Mr Bion: Perfekt. Und was sollen wir alles versprechen bei dem neuen Wirkstoff? Was kann er?

Mr Tech: Doofe Frage. Was wohl? «Verhindert die Ansteckung mit Krebs und die Weitergabe des Krebsvirus sowie schwere Verläufe im Erkrankungsfall. Und das erst noch frei von Nebenwirkungen.»

Mr Bion: Und du meinst, das nimmt man uns ab nach allem, was war?

Mr Tech: Ach, mein Guter. Uns nimmt man doch alles ab.

Meistens bitter ernst. Aber nicht immer. Danke für Ihre Unterstützung dieses Blogs.

C wie Caro: Ein Müsterchen aus dem «Corona-ABC»

Wer hat noch nicht, wer will nochmal? Mein kleines Satire-Büchlein «Das Corona-ABC» ist nach wie vor erhältlich. Anbei ein Auszug zum Buchstaben «C» als Verlockung.

Hier kann man das «Corona-ABC» bestellen.

C wie Carola

Mein guter alter Freund Marco Rima, vor der gesellschaftlichen Ächtung erfolgreicher Bühnenkünstler, pflegt Corona als «Carola» zu bezeichnen. Was natürlich nicht unbedingt nett ist, wenn man wirklich Carola heisst. Der Zufall will es aber, dass es rund um Corona wirklich eine Carola gibt. Sie ist sehr aktiv in den sozialen Medien und als Buchautorin, wo sie sich «Doc Caro» nennt, und ich vermute, dass die Coronazeit für sie ziemlich einträglich ist. Selbstredend möchte ich an dieser Stelle kein persönliches Bashing betreiben. «Doc Caro» ist einfach ein wunderschönes Einzelbeispiel für eine gesellschaftliche Erscheinung.

Die Dame, übrigens in der Tat Ärztin, was heutzutage aber leider nicht mehr viel heisst, hat sich festgebissen am Thema «Langzeitfolgen». Sollte ich morgen mit einem Brummschädel aufwachen, weil ich etwas gar tief ins Glas geblickt habe, dürfte ich nach ihr wohl irgendwie ein Opfer von «Long Covid» sein, ohne das Virus jemals aus nächster Nähe gesehen zu haben. Doc Caro ist sehr grosszügig bei dieser Definition. In aller Kürze sagt sie das Folgende: Beschwerden, die nach einer Impfung auftreten, haben selbstverständlich nie etwas mit der Impfung zu tun, aber jede Beschwerde, die ein Ungeimpfter feststellt, ist mit Garantie eine Folge einer Infektion, selbst schuld, sorry.

Falls jemand leichte Zweifel an ihrer These hat, muss ich darauf hinweisen, dass Carola Holzner, so heisst Doc Caro mit vollem Namen, die Argumente auf ihrer Seite hat, weil sie über das Gesamtpaket verfügt, das man im medialen Zeitalter benötigt. Konkret umfasst dieses einen Doktortitel, ein einprägsames Gesicht, eine poppige Kurzhaarfrisur und viele Tattoos auf den Armen. (Disclaimer: Ich hätte diese äusserlichen Merkmale auch bei einem Doktor Karl Holzner aufgeführt. Sie sind wichtig, denn die Frau ist inzwischen ein Produkt, und das verkauft sich auch durch die Erscheinung. Ihre Mischung kann man medial verkaufen.)

Zu Beginn ihres Aktivismus war ich fest davon überzeugt, dass Doc Caro eine Art weiblicher Hirschhausen ist, also eine medizinische Fachperson, die gleichzeitig Kabarett macht. Denn was sie sagt, kann sie ja eigentlich nicht ernst meinen. Solche Hoffnungen erfüllen sich aber leider selten.

Die Spezialität der Notfallärztin: Ihr schier unbegrenztes Wissen auf niederschwellige Weise vermitteln. Sie schreibt so, dass es Otto Normalverbraucher versteht. Das ist durchaus eine Qualität. Hin und wieder lotet sie dabei allerdings auch Grenzen aus, beispielsweise, wenn sie einen ungeimpften deutschen Fussballspieler als «Volltrottel» bezeichnet. Der hatte, unverschämt aber auch, thematisiert, dass ihm Langzeitstudien rund um die Impfung fehlen und er vorderhand deshalb darauf verzichten wolle. Was Doc Caro nicht lustig fand, gerade aus dem Mund eines sportlichen Vorbilds.

Das Wort «Langzeitfolgen» kritisierte sie in einem langen Blogbeitrag. Der Begriff diene «oft einfach als Universalausrede und ‚Totschlagargument‘, und das sogar fälschlicherweise». So quasi: Wie kann man nur zu diesem frühen Zeitpunkt von möglichen Langzeitfolgen plappern! Die Impfung gibt es ja noch nicht so lange.

Umgekehrt gilt das aber nicht. Geht es um Corona und «Long Covid», dann sind Langzeitfolgen für Doc Caro selbstredend keine «Universalausrede», sondern ganz furchtbar schlimm. Long Covid sei «wissenschaftlich tausendfach untersucht worden.» Das mag sein. Vermutlich in erster Linie, weil man das ganz dringend untersuchen wollte, um zu demonstrieren, wie schlimm es ist. Dieser Ehrgeiz fehlt der «offiziellen» Medizin bei der Impfung, niemand hat das Bedürfnis, allfällige Probleme des Impfstoffs aufzudecken. «Long Covid» hingegen muss einfach ein Schlager werden. Deshalb hat man schon wenige Monate nach Auftauchen des Virus davon gesprochen, und wer ein paar Wochen nach Erkrankung niest, wird nie wieder ein gutes Leben haben.

Fassen wir zusammen: Das Wort Langzeitfolgen als Argument gegen die Impfung geht nicht, weil das Wort Langzeitfolgen «eine Universalausrede» ist. Das Wort Langzeitfolgen durch die Coronaerkrankung als Argument für die Impfung hingegen ist ein sachliches, in sich total stimmiges Argument. Dasselbe Wort. Einmal geht es gar nicht, einmal ist es absolut zentral.

Das klingt ein bisschen, nun, absurd. Aber ich bin ja kein «Doc Milli» oder so, ich habe keinerlei Titel und bin vermutlich einfach zu doof, um zu begreifen, dass diese Dinge nicht vergleichbar sind. Gut also, dass die Frau Doktor gleich ein Beispiel dafür gibt, warum es bei der Impfung keine Langzeitfolgen gibt. Leide jemand nach einer Impfung unter Narkolepsie, sei das keineswegs eine Spätfolge des Stichs, sondern «eine Impfnebenwirkung, die verspätet auffiel».

Gut, das ist nun Hirschhausen im Quadrat. Annahme: Sie lassen sich impfen, einige Wochen oder Monate später leiden Sie unter Narkolepsie, aber das ist dann keine Langzeitfolge, nein, sorry, wir haben es einfach nur sehr viel später gemerkt! Das ist praktisch. Man muss nach einer Impfung einfach möglichst lange nicht genau hinschauen, dann wird man auch keine Spätfolgen entdecken. Treten sie auf, dann sind sie nur ganz normale Nebenerscheinungen, die man zuvor übersehen hat. So einfach macht sich nicht einmal Pippi Langstrumpf die Welt.

Aber: Wenn Sie hingegen an Corona erkranken und fünf Wochen später beim Treppensteigen noch ein bisschen schwer atmen, dann ist das «Long Covid», und wie! Nicht etwa einfach das Nachhallen einer Lungenerkrankung, wie sie ganz einfach üblich ist, weil der Körper ein Weilchen braucht, um sich zu erholen.

Kaum ein Mensch kannte Doc Caro vor Corona. Nun schreibt sie Bücher und sitzt in Talkshows, und vermutlich verbringt sie mehr Zeit vor der Kamera als mit Patienten. Und sie scheint es zu lieben. Damit ist sie in einer Spirale angekommen: Sie muss dauernd nachliefern, und das möglichst kernig. Damit ihr weiterhin Leute zuhören, muss sie die Paniktrommel wuchtig schlagen. Logik stört da nur. Damit hat sich Carola Holzner in meiner persönlich entwickelten «Lauterbach-Skala» ziemlich weit nach oben geschoben, und wenn sie dort bleiben will, darf sie nicht nachlassen.

Aber vielleicht bin ich ja auch nur neidisch, weil die Dame mehr Bücher verkauft als ich.

Warum Alain Berset völlig unschuldig ist

Meine Texte gibt es nicht nur mit Kante und in aller Ernsthaftigkeit, sondern auch satirisch. Zum Beispiel jeden Monat im gedruckten «Nebelspalter». Hiermit zum Abo empfohlen – und ein Müsterchen kostenlos für meine Leser.

Das Magazin des «Nebelspalter» ist seit Urzeiten der Satire verschrieben – bis heute. Hier könnt Ihr es abonnieren, und das mit meiner ausdrücklichen Empfehlung. Ich bin darin regelmässig mit Texten vertreten. Anbei ein Beispiel aus der aktuellen Ausgabe, die gerade für meine Leserschaft besonders lesenswert sein dürfte.

Alain Berset wurde missbraucht

Bundespräsident Alain Berset ist nicht etwa Täter, sondern das Opfer seines geschwätzigen Umfelds. Das zeigt unsere Chronologie der letzten drei Jahre.

Es war höchste Zeit, dass Alain Berset im vergangenen Jahr seinen Sprecher Peter Lauener loswurde. Dieser hatte eine unangenehme Eigendynamik entwickelt und einfach von sich aus Medien seiner Wahl über Interna informiert. Berset selbst war dabei immer völlig ahnungslos, ihn trifft keine Schuld. Und das war nicht das erste Mal, dass andere seine Macht missbrauchten. Immer wieder hat sein Umfeld ohne sein Wissen einfach gemacht, was es wollte. Und er war danach gezwungen, nachzuziehen.

Ende 2020 beispielsweise wollte Alain Bersets Frau unbedingt verhindern, dass Weihnachten wieder ausartet. Der Gedanke war ihr unerträglich, diesen unsäglichen angeheirateten Onkel und seine verfressene Tochter zum Weihnachts- fest zu empfangen. Also rief sie beim «Blick» an und erzählte diesem, ihr Mann wolle an den Festtagen wegen Covid-19 eine strenge Limitierung der Gäste durchsetzen. Die Zeitung schrieb das pflichtschuldig nieder, und Berset sah sich darauf genötigt, politisch nachzuziehen.

«Er wolle generelle Regeln für die Festtage etablieren.»

Das sagte er, nachdem es der «Blick» bereits angekündigt hatte.

Die Kinder von Berset witterten daraufhin eine Chance. Als sie keine Lust hatten auf die sonntägliche Wanderung, schrieben sie dem «Blick» eine E-Mail und kündigten an, dass Papa bald einen Aufruf lancieren würde, das Haus möglichst nicht mehr zu verlassen. Die Redaktion machte das zur Schlagzeile, und Berset blieb danach nichts übrig, als vor die Medien zu treten:

«Bleiben Sie zu Hause!»

Damit war der Sonntag vor der Playstation gerettet. Aber schon bald drohte den Kindern weiteres Ungemach: Sie sollten demnächst das Wochenende bei den Grosseltern verbringen – der pure Horror. Warum sie abgeschoben werden sollten, war unklar, Papa Berset murmelte nur etwas von «ich bin dann geschäftlich im Schwarzwald». Der Nachwuchs musste handeln, kontaktierte wieder den «Blick», und kurz darauf sah sich Alain Berset vor den Medien zu folgender Aussage genötigt:

«Schicken Sie Ihre Kinder nicht zu den Grosseltern, das ist sehr wichtig.»

Satire gibt es übrigens auch immer mal wieder auf diesem Blog – dank Ihrer Unterstützung.

Ein intelligenter Mann wie Berset durch-schaut solche Mechanismen natürlich früher oder später. Um sich an seinen Kindern zu rächen, liess er sein Departement die Gefahr durch ausgelassene Stimmung am Wochenende untersuchen und verkündete schon bald:

«Die Partyszene muss verstehen, dass sie nun etwas anderes tun muss, als Party zu machen.»

Die Clubs wurden geschlossen. Seine Kinder kochten. Nun mussten sie den Samstag in diesem langweiligen Freiburger Vorort verbringen, statt sich mit den Kollegen eine gepflegte Tüte zu basteln.

Berset hatte nun Blut geleckt. So einfach war es, die Medien zu instrumentalisieren? Und er konnte das tun, ohne von der Verwandtschaft missbraucht zu werden? Als die ersten Kritiker kamen und die Schweiz als Diktatur bezeichneten, bat er seinen Kollegen Guy Parmelin daher, ein gutes Wort für ihn einzulegen. Und der tat das auch. Am 17. Februar 2021 stellte sich Parmelin vor die Medien und fragte:

«Sieht Berset wirklich wie ein Diktator aus?»

Die Frage war offenbar rhetorisch gemeint, es gab keine repräsentative Umfrage darüber.

Bersets neue Strategie funktionierte leider nicht immer. Es gab einfach zu viele Ereignisse, bei denen er die Medien nicht vorab informieren wollte, sondern lieber gar nicht. Schuld war sein gedrängter Terminplan. Denn dieses Amt ist einfach zu viel für einen einzelnen Mann. Er weiss ja manchmal selbst nicht mehr vor lauter Stress, ob er sich gerade in einem Privatflugzeug über einem Nachbarstaat oder in einer Staatslimousine auf dem Weg in den Schwarzwald befindet, wo er sich höchstpersönlich um die Förderung einer jungen Musikerin kümmern will.

Bundesrat ist ein gnadenloser Job.

Danke für Ihren Beitrag an meine Arbeit.

Und jetzt bitte alle im Chor: Weltfrieden!

Seit 30 Jahren setze ich mich für das Falsche ein. Nun dämmert es mir: Der Weg zu einer besseren Gesellschaft führt über alles, was ich stets bekämpft habe. Wir brauchen mehr farbige Flaggen, die Aufhebung der Geschlechter und ein Ende der Sprache, wie wir sie gekannt haben – und alles wird gut.

Ich werde demnächst 50, auch wenn man mir das natürlich nicht ansieht. Damit stosse ich definitiv vor in die Riege der alten weissen Männer. Die sind bekanntlich für sämtliche Ungerechtigkeiten dieser Welt im Alleingang verantwortlich. Ohne sie wäre unsere Gesellschaft eine bessere. Ich muss endlich erkennen, dass ich mit meiner Haltung dem Weltfrieden im Weg stehe, weil ich mich der Weisheit der schieren Masse so lange widersetzt habe. Höchste Zeit also, umzudenken.

Zu meiner Verteidigung: Meine schiefe Weltsicht ist auch ein Ergebnis meiner Sozialisierung. Ich bin in den 70er-Jahren aufgewachsen, und damals dachten wir ernsthaft, dass Babys mit äusserlichen Merkmalen zur Welt kommen, welche die Einteilung in zwei Geschlechter ermöglichen. Im Kinderjargon: Schnäbi oder Mumu. Das ist im Rückblick unverzeihlich. Facebook beispielsweise bietet schon seit Jahren eine Auswahl von 60 Geschlechtern, und auch das ist bereits ziemlich passé. Richtig wäre es, sich gar nicht erst auf eine Wahl einzulassen. Jeder ist heute, was er sein möchte, und wenn es die richtige Kategorie noch nicht gibt, schafft man einfach eine neue. Es wäre so einfach, aber ich stecke fest in alten Vorstellungen.

Auch sprachlich bin ich unglaublich limitiert. Ich habe mich bis heute weitgehend an Standards gehalten, wie sie der Duden vorgibt. Eine völlig rückständige Methodik. Wörterbücher definieren zum Beispiel ein Wort wie «Mitglied» als neutral. Doch heute ist neutral längst nicht mehr neutral genug. Das muss man weiter neutralisieren durch  Wortschöpfungen wie «Mitglieder:innen», wobei der Doppelpunkt wahlweise durch einen Stern oder ein anderes Sonderzeichen ersetzt werden kann. Jedenfalls, bis die unsichtbare Jury zweifelsfrei einen allgemeingültigen Standard durchgesetzt hat. Wenn ich beim Wort «Mitgliederinnen» aufjaule, liegt das liegt nicht am Wort, sondern an mir und meiner Engstirnigkeit. Ich muss wirklich an mir arbeiten.

Und wenn ich schon beim Outing bin, bitte sehr. Auf meiner Dachterrasse habe ich die letzten Monate über einen neuen Bodenbelag nachgedacht, statt einfach das Offensichtliche zu tun. Warum hängt dort am Zaun noch keine blau-gelbe Flagge als Zeichen für die Solidarität zur Ukraine? Oder wenigstens die Peace-Fahne als allgemeines Bekenntnis für den Frieden? Oder, wenn es auch dafür nicht reicht, immerhin der LGBTQ-Regenbogen, um meine grenzenlose Toleranz zu beweisen? Es wäre so einfach. Denn wir alle wissen, dass mit jedem Stück Stoff im Aussenbereich die Welt eine bessere wird.

Auch in den sozialen Medien bin ich untauglich. Dabei gäbe es so viele leuchtende Vorbilder. Jolanda Spiess-Hegglin, Knackeboul, Reda El Arbi und viele mehr zeigen, wie es geht. Sie bekämpfen den täglichen Hass im Netz, indem sie selbst wahlweise kübelweise Hass über andere ergiessen oder Andersdenkenden körperliche Gewalt androhen. Das macht absolut Sinn: Gleiches mit Gleichem vergelten und so den bösen Menschen den Spiegel vorhalten! Aber ich, das alternde Kind der 70er-Jahre, versuche es immer noch mit inhaltlichen Argumenten. Ich habe bisher ernsthaft versucht, auf Twitter zu argumentieren. Warum kann ich nicht wie alle diese guten Menschen einfach Toleranz mit Intoleranz predigen und Andersdenkende diffamieren? Warum mobbe ich fehlgeleitete Seelen nicht einfach, um so gegen Mobbing im Netz zu protestieren, wie es andere tun? Wenn man für das Richtige steht, darf man das ja ungestraft.

Ich gebe es nur ungern zu, aber bis vor kurzem hatte ich auch keinerlei Verständnis für Leute, die sich selbst auf Autobahnausfahrten auf den Asphalt kleben, um den Klimawandel zu bekämpfen. Dabei ist das doch ein selbstloser Einsatz für meine Kinder, die sonst nur noch wenige Jahre zu leben hätten, weil sie angesichts der rasenden Zunahme der Temperatur in einigen Jahren bei lebendigem Leib verglühen werden. Heute sehe ich das ein und anerkenne: Ich bin eine veritable Fehlbesetzung als Vater. Warum kette ich mich nicht endlich wenigstens vor dem Hauptsitz der UBS fest und rette damit die Welt? Es wäre doch so einfach. Nach der Besetzung des Bundesplatzes durch Klimaaktivisten ist die durchschnittliche Temperatur in der Schweiz bekanntlich um 5 Grad gesunken, es geht also.

Mir ist endlich bewusst: Seit 30 Jahren vertrete ich schreibend die reine Irrlehre. Diese Welt wäre eine bessere, wenn wir alle geschlechtslos und gendernd mit Regenbogenflaggen auf dem Balkon mit einem Stück Tofu auf dem solarbetriebenen Grill einen feministischen Tanz aufführen würden. Täten wir das alle, hätten wir schon längst die perfekte Gesellschaft, und in der Ukraine würde Friede herrschen. Dieser wundervollen Entwicklung der Evolution bin ich viel zu lange im Weg gestanden, weil ich es schlicht nicht begriffen habe.

Wobei das natürlich noch nicht reicht. Wir müssen auch diejenigen Kräfte in die Schranken weisen, die dem entgegen stehen. Das heisst: Parallel dazu endlich alles wegzensieren, was nicht dem Zeitgeist entspricht und alles verbieten, was einer Mehrheit auf Twitter missfällt. Der Weg zu einer freien Gesellschaft führt über möglichst viele Verbote und Einschränkungen. Wenn wir die Wahrheit schon kennen, müssen wir die Diskussion über diese Wahrheit endlich unterbinden. Freie Rede? Schön und gut. Aber bitte innerhalb der Schranken, welche die Twitter-Jury definiert hat. Wo kommen wir hin, wenn dauernd Leute Zweifel säen?

Heute ist mir das klar. Und ich erkenne mit viel Bedauern: Ich stand bisher diesem Fortschritt im Weg und damit auch einer besseren Welt – und weitergedacht auch dem Weltfrieden. Ich bin also ein Kriegstreiber, nur gerade einen halben Meter hinter Wladimir Putin. Denn viel zu lange habe ich mich gewehrt gegen die modernen Errungenschaften, die uns alle weiterbringen. Es ist doch sonnenklar, dass uns amtliche Schreiben mit einem Stern oder einem Doppelpunkt mitten in einem Wort zu besseren Menschen machen und die Welt retten. Wir werden erst zu einer funktionierenden Gesellschaft, wenn Babys im Kinderwagen geschlechtslos sind, wenn auch an der hinterletzten Jodler-Hauptversammlung «Mitglieder:innen» begrüsst werden und wir uns einig sind, dass jeder, der nicht aktiv dabei mitmacht oder Fragen stellt, ein Faschist ist, der aus der digitalen Welt ausradiert gehört.

Ja, ich habe das reichlich spät gemerkt. Aber besser spät als nie. Von heute an wird alles anders. Ich bin nun einer von euch. Ich definiere mich als Geschlecht Nr. 43, hülle mich in eine Regenbogenflagge, klebe mich schon morgen an der Hauptgasse in Appenzell fest und brülle, wenn mich die reaktionären staatlichen Kräfte vom Asphalt lösen wollen, mit aller Kraft: «Mitglieder:innen aller Welt, vereinigt euch!»

Es ist höchste Zeit dafür. Seit bald 50 Jahren gibt es mich, und seit ich denken kann, lamentieren wir über den Niedergang der Welt. Aber nun haben wir das Rezept zur Gesundung der Gesellschaft und für den Weltfrieden. Wir müssen lediglich die völlig veralteten Naturgesetze mit Männlein und Weiblein ausser Kraft setzen, die Sprache neu erfinden, hautfreundlichen Leim auf den Markt werfen und ganz viele bunte Flaggen zum Verkauf anbieten – und alles wird gut.

Endlich ist mir das bewusst, und ab heute werde ich mich dafür engagieren. Vielleicht reicht es so ja doch noch last minute für einen Platz im Himmel. Bei dem/der Gött:in. Hoffen darf man immer. Ich hoffe, er/sie/es hält ein anständiges Stück Tofu für mich bereit, wenn ich da oben ankomme. Den Weg dorthin finde ich bestimmt. Denn ich gehe davon aus, dass mich Wegweiser in Regenbogenfarben ans Ziel führen.