Der schreibende Arm der «Letzten Generation»

Während sich die einen auf Strassen festkleben, tippen die andern in den Redaktionen Artikel: Selbsternannte Klimajournalisten haben sich zum Umbau der Gesellschaft verpflichtet.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe von «Die Weltwoche».

Manchmal schafft es Özden Terli punktgenau. Hin und wieder liegt er wie jeder seiner Berufskollegen auch leicht daneben. Meteorologen bezeichnen ihr Fach zwar als exakte Wissenschaft, doch das Wetter hält sich nicht immer daran.

Prognosen scheinen für Terli, der beim ZDF seit zehn Jahren die Wettersendung moderiert, aber ohnehin nicht im Zentrum zu stehen. Zwischen den Angaben über Temperatur und Windstärke spricht er vor der Kamera immer wieder über die Folgen der Erderwärmung, warnt vor diesen und fordert Massnahmen. In den sozialen Medien wird er noch deutlicher. Wer den Klimaschutz nicht umsetze, sei ein «Staatsfeind», ihn zu leugnen, sei «absurd». Der Klimaschutz müsse «vor Gericht umgesetzt werden».

Selbsthilfegruppe für Journalisten

Der ZDF-Angestellte Özden Terli ist ein sogenannter Klimajournalist. Er figuriert unter den über 300 Journalisten in Deutschland, welche die Charta des «Netzwerks Klimajournalismus» unterzeichnet haben. Darunter sind solche von ARD, SWR, der Zeit oder dem Tagesspiegel. Beim österreichischen Ableger findet sich unter anderem Personal von ORF, dem Standard und dem Kurier. Die Namen sind öffentlich einsehbar.

Ein «Netzwerk Klimajournalismus» gibt es auch in der Schweiz. Es bezeichnet sich als «Partnerorganisation» der Gruppen in Deutschland und Österreich. Die Schweizer Ausgabe kennt keine Leitlinien in Form einer Charta, wie Gründungsmitglied Elia Blülle von der Republik sagt. Man sei ein «loses Netzwerk». Die Eigendarstellungen der drei deutschsprachigen Netzwerke sind allerdings inhaltlich zum Teil deckungsgleich, die Ziele dieselben.

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Diese klingen zunächst harmlos. Gegen aussen gibt sich das deutsche Netzwerk als eine Art Selbsthilfegruppe für Journalisten. Auf der Website heisst es: «Wenn du einen neuen Job anfängst, wirst du im besten Fall erst mal an die Hand genommen. Es gibt eine Person, die dir zeigt, wie die Kaffeemaschine funktioniert, dich den Kolleg*innen vorstellt, dir alles erklärt, was du wissen musst.» Das Netzwerk tue dasselbe, aber eben einfach zum Thema Klima. Erfahrene Kollegen geben Neulingen Tipps.

Ein Blick in die Charta zeigt aber, dass der Vergleich mit der Kaffeemaschine hinkt. Es geht um weit mehr. Das «Netzwerk Klimajournalismus» ist der verlängerte Arm von Aktivistengruppen wie der «Letzten Generation». Statt sich auf den Asphalt zu kleben, versuchen die Beteiligten, in ihren Artikeln und Sendungen die Botschaft der nahenden Katastrophe zu verbreiten und die Politik zum Handeln zu zwingen.

Unabhängig und objektiv?

Die Leitlinien, die Klimajournalisten unterschreiben, verlangen «grundlegende Veränderungen unserer Arten zu leben und zu wirtschaften». Sie wollen ein Ende der Abhängigkeit von fossilen Energien, denn diese «befeuert Krieg und Konflikte». Der «globale Norden» wird als Hauptschuldiger definiert durch «den Kolonialismus und das Wachstumsparadigma seiner Ökonomien». Es drohe eine «irreversible Katastrophe», wenn nichts passiere.

Das ist keine Mischung aus links-grünen Parteiprogrammen, sondern die Vorgabe für die Journalisten, welche die Charta unterzeichnet haben. Obschon sie von Berufs wegen verpflichtet wären, unabhängig und objektiv zu berichten. Weiss man, dass es das «Netzwerk Klimajournalismus» gibt und wer mit dabei ist, sieht man als Medienkonsument einiges in einem anderen Licht.

Zum Beispiel die Zuschauer des Magazins «Frontal» auf ZDF, das sich selbst als «investigatives Politmagazin» bezeichnet. Vor einigen Monaten geriet die deutsche FDP in einem Beitrag in die Schusslinie. Die Partei gebe vor, den Klimawandel ernst zu nehmen, trage aber die konkreten Massnahmen dagegen politisch nicht mit, wurde acht Minuten lang beklagt. Verantwortlich für die Sendung zeichnete unter anderen Nathan Niedermeier. Er ist Mitunterzeichner der Klimajournalisten-Charta. Genau wie Sabrina Ebitsch, stellvertretende Leiterin des Datenteams bei der Süddeutschen Zeitung. Aus ihrer Feder stammen Kommentare wie: «Ist das Klima noch zu retten?»

Die Klimanetzwerker sehen kein Problem darin, Journalismus mit einer Mission zu verbinden. Ihre «Richtschnur und Leitplanke» sei das Pariser Klimaabkommen von 2015. Zusammen mit den Pressegesetzen und dem Grundgesetz ergebe sich daraus «eine Verpflichtung zur klimajournalistischen Arbeit». In der Praxis geht es aber nicht nur darum, die Politik bei ihren definierten Zielen zu unterstützen. Sie soll vielmehr aktiv beeinflusst werden mit Hilfe der Medien.

Am 3. Mai 2023 luden die Schweizer Klimajournalisten in Räumlichkeiten der SRG in Bern alle interessierten Medienschaffenden ein, sich über das Klimaschutzgesetz zu informieren. Man wolle dem Publikum dabei helfen, «kritisch, wissenschaftlich und fundiert» zu berichten. Gleichzeitig wurde den Interessierten unverhohlen hoffnungsfroh mitgeteilt: «Zum ersten Mal könnte die Schweiz das Ziel, bis 2050 ‹Netto-null-Emissionen› zu erreichen, im Gesetz verankern.»

Vorgestellt wurde die Vorlage von Alex Tiefenbacher, Journalistin beim Onlinemagazin Das Lamm und Gründungsmitglied des Schweizer «Netzwerks Klimajournalismus». Als Referent trat unter anderen Marcel Hänggi auf, einer der Väter der Gletscher-Initiative. Diese war einst zugunsten des Klimaschutzgesetzes zurückgezogen worden. Es lag kaum in Hänggis Interesse, die Zuhörer vor der Abstimmung um eine objektive Berichterstattung zu bitten.

«Falsche Ausgewogenheit»

Eine starke Waffe der schreibenden Klimaaktivisten sind ihre freischaffenden Mitglieder. Dank ihnen taucht die Botschaft in verschiedenen Publikationen auf. Arbeiten von Katharina Wecker finden sich in der Republik, der Zeit oder bei der Deutschen Welle. Florian Wüstholz hat das Thema Klima unter anderem in der Schweizer Familie platziert. Sylke Gruhnwald war für die NZZ und den Beobachter tätig und amtete bei SRF als Chefin des Data-Teams. Die freie Journalistin Sabine Weiss schreibt unter anderem für die NZZ und das Magazin des Tages-Anzeigers. Der Arm des Klimajournalismus ist lang.

Weiss nahm Ende 2022 gegenüber dem Medienportal Persönlich Stellung zur Arbeit des Schweizer Netzwerks, das sie mitbegründet hat. «Wir haben Klimaleugner zu lange zu Wort kommen lassen», sagte sie dort. Dass Journalisten früher versuchten, beide Seiten darzustellen, habe zu einer «falschen Ausgewogenheit» geführt. Das Prinzip der ausgeglichenen Berichterstattung? Es gilt nicht, sobald es ums Klima geht.

Damit ist sie in guter Gesellschaft. Die deutsche freie Journalistin Sara Schurmann hielt in einem Beitrag fest: «Wissenschaftliche Fakten gleichberechtigt neben politischen Meinungen zu halten, lässt sich weder mit Objektivität noch mit journalistischer Ausgewogenheit begründen.» Sie vergleicht das damit, dass eine Redaktion einem Anhänger der flachen Erde Platz einräumt.

Hitze richtig einordnen

Das System greift noch tiefer. Was passiert, wenn ein Klimajournalist nachweislich Falschinformationen verbreitet? Von den «Faktencheckern» hat er jedenfalls nichts zu befürchten. Das Journalistenkollektiv «Correctiv», das sich dieser Disziplin verschrieben hat, ist gleich mit fünf Mitarbeitern im deutschen «Netzwerk Klimajournalismus» vertreten.

Es ist anzunehmen, dass nicht nur die offiziellen Mitglieder der Netzwerke nach diesem System arbeiten. Im Fall der Schweiz, wo man keine Charta unterschreibt, ist die Lage für Medienkonsumenten besonders intransparent. Im Unterschied zu den anderen deutschsprachigen Ländern kann man hier nicht mit einem Klick überprüfen, wer sich als Klimajournalist versteht. Abrufbar sind nur die Namen der zehn Medienschaffenden, die das Netzwerk ins Leben gerufen haben.

Klimajournalistin Schurmann fordert: «Wir dürfen Debatten nicht nur abbilden – wir müssen sie einordnen.» Damit meint sie, man solle nicht einfach über die Hitze oder einen Tropensturm berichten, sondern auch gleich stets den Klimawandel als Schuldigen benennen und Massnahmen fordern. Für die Leser von Zeitungen wäre eine andere Einordnung aber noch wichtiger. Steckt hinter einem Text echte journalistische Arbeit – oder der Aktivismus eines klimabewegten Journalisten, der sich mit seinem Namen dazu verpflichtet hat?

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