Der Millius hat meine Sandburg zerstört!

Ich wollte eigentlich nur gemütlich ein Bier trinken und ein Magazin lesen, das im Briefkasten lag. Dabei konnte ich nicht ahnen, dass es darin auch um mich geht. Und was ich über mich erfahren habe, erschüttert mich zutiefst. Wie soll ich jemals wieder mit mir leben können?

Treue Wegbegleiter wissen, dass ich einst die Onlinezeitung «Die Ostschweiz» mitbegründet und sie nach der Coronazeit verlassen habe. Heute gehört der Titel einem Ostschweizer Verlag namens Galledia. Im Unternehmermagazin LEADER beklagen sich nun die neuen Besitzer, welches Ei ich ihnen da gelegt habe. Ich empfehle die vorangehende Lektüre des Originalbeitrags, um meiner anschliessenden Replik besser folgen zu können. Ihr findet diese hier.

Und nun zu meiner Erwiderung. Wer danach «Die Ostschweiz» finanziell unterstützen möchten, kann das hier tun. Wer lieber mir ein paar Franken spenden, kann das hier tun.

Galledia und die «toxische» Akquisition

Warum kauft ein ehrgeiziger Ostschweizer Verlag eine Onlinezeitung, die «toxisch» ist und deren Reputation völlig zerstört wurde? Das würde keiner verstehen. Es ist aber auch nicht nötig. Denn es war alles ganz anders.

Auch Männer können weinen. Ich gebe zu: Ich musste bei der Lektüre des Beitrags «Turnaround für ‘Die Ostschweiz’» zu einem Taschentuch greifen. Martin Oswald, Leiter Regionalmedien beim Verlag Galledia, hat es nicht leicht, und schuld bin ich. Er muss nämlich das Onlineportal «Die Ostschweiz» mühsam wieder aufpäppeln, nachdem ich es zuvor zugrunde gerichtet hatte. Zitat: «Eine Reputation kann man jahrelang aufbauen, aber rasch zerstören.» Es klingt nach einem gebrochenen Mann vor einer unlösbaren Aufgabe. Meine Tränen fliessen.

Wobei ich einiges nicht ganz verstehe. Es klingt nämlich, als hätte Oswald persönlich diese Reputation aufgebaut, und danach hätte ich sein Werk zerstampft wie ein schlecht gelauntes Kind die Sandburg eines andern. Aber wenn ich mich richtig erinnere, habe ich «Die Ostschweiz» mitbegründet und vier Jahre lang als Chefredaktor geführt. Die Reputation, die das Portal einst hatte, müsste daher wenigstens teilweise von mir erarbeitet worden sein. Ich habe also die Sandburg selbst gebaut. Und Martin Oswald beklagt sich nun, dass sie zerstört wurde. Warum baut er denn nicht einfach eine eigene?

Es wird noch grotesker. Später fand Galledia, es wolle «Die Ostschweiz» übernehmen, obwohl diese damals doch eine «toxische Positionierung» gehabt hat und damit eine «Hypothek» war. Das sind alles Zitate aus dem LEADER-Beitrag. Wird der Verlag vielleicht von Masochisten geführt, dass sie sich das angetan haben? Oder war es ihre gute Tat zum Erhalt der Ostschweizer Medienlandschaft? Wer kauft bitte einen Regenschirm, der beim ersten probehalben Öffnen in seine Bestandteile zerfällt?

Massiver Einbruch bei den Lesern

Manchmal sind nackte Zahlen ganz nützlich, um einen Sachverhalt zu prüfen. «Die Ostschweiz» hatte zu ihren besten Zeiten Ende 2021 und Anfang 2022 im Schnitt 1,5 Millionen Seitenabrufe pro Monat. Damals noch mit mir als Fleisch gewordene Hypothek an der Spitze. Erstaunlich, was in einer toxischen Umgebung alles möglich ist. Waren das lauter Verrückte, die uns damals angeklickt haben?

Heute werden in der Mediendokumentation 300’000 Leser pro Monat ausgewiesen. Schon dieser Einbruch gegenüber früher wäre verheerend genug. Aber ich gehe davon aus, dass auch diese Zahl noch übertrieben ist. Der Rückgang gegenüber den einstigen Spitzenwerten dürfte eher bei über 80 Prozent liegen. Aus der öffentlichen Debatte ist die Publikation sowieso gänzlich verschwunden. Ausser natürlich, der Stammtisch diskutiert erhitzt über Themen wie das Pionierprojekt eines Jungwalds in Wangs, über den ich kürzlich dort gelesen habe.

Es ist eine seltsame Welt: Die Leser flüchten also in Scharen, nachdem derjenige gegangen ist, der einen Reputationsschaden verursacht hat? Und kommen nicht völlig erleichtert nach einer kleinen Pause zurück? Wäre ich nicht direkt betroffen und damit voreingenommen, würde ich eher den Schluss ziehen, dass das Publikum die «toxische Positionierung» geschätzt hat und nun keinen Grund mehr sieht, die Publikation noch zu lesen, weil sie harmlos, beliebig und irrelevant geworden ist. Aber vermutlich habe ich mit lediglich einem halben Dutzend selbst gegründeten Medien einfach zu wenig Ahnung von der Materie, um das zu beurteilen. Und auf meiner Visitenkarte steht eben auch nicht «Leiter Regionalmedien».

Das Millius-Millieu

Zumal LEADER-Autor Philipp Landmark die Perspektive von Martin Oswald teilt. Auch er findet, ich hätte «Die Ostschweiz» zu einer «Plattform von Coronaskeptikern und Echokammer von Verschwörungstheoretikern» gemacht. Er spricht ausserdem von einem «Schwurbler-Milieu», wobei er «Millieu» schreibt. Offenbar hat ihn mein Name so beeindruckt, dass ihm (mehrfach) ein zweites «L» aufs Papier gerutscht ist. Mich freut es durchaus, dass mein Nachname zum Synonym für ein »Schwurbler-Milieu» wird. Denn wenn man nicht gerade unter einem Stein gelebt hat in den letzten Monaten, weiss man, dass die angeblichen Schwurbler richtig lagen.

Spricht Landmark von den Verschwörungstheorien, die sich inzwischen fast täglich als wahr erweisen? Hat er nie von den RKI-Files gehört, die belegen, was ich ab Frühjahr 2020 geschrieben habe? Ist ihm nicht aufgefallen, dass inzwischen selbst der deutsche Impfpapst Karl Lauterbach auf die Opfer der Spritze hinweist, die es laut ihm gar nicht geben dürfte – und die ich früh angekündigt hatte? Ich warte bis heute darauf, dass eine einzige Aussage von mir aus der Coronazeit faktisch widerlegt wird. Bisher vergeblich.

Aber wir befinden uns hier ja nicht in einem Wer-hatte-recht-Wettbewerb (der im Übrigen auch reichlich unfair wäre für die andere Seite). Es geht um die Frage, ob die neue Besitzerin Galledia nun «Die Ostschweiz» wieder mühsam aufbauen muss, nachdem ich sie offenbar im Alleingang zerstört habe. Die Zeitung habe nämlich «Sympathien verspielt» und Werbekunden verprellt, heisst es da.

Das erfolgreichste Medien-Startup der Geschichte

Man mag mich naiv nennen, aber eine klare Haltung nützt aus meiner Sicht einem Medium immer. Natürlich verliert man auf diesem Weg auch Leser und Inserenten, die es anders sehen. Die Frage ist aber nur, ob die Schlussbilanz stimmt. Mehrere hundert zahlende Clubmitglieder verzeichnete «Die Ostschweiz» in ihren angeblich so toxischen Zeiten. Die Spendengelder von staatskritischen Zeitgenossen flossen reichlich. Wie das jetzt aussieht, weiss ich nicht. Aber es wäre erstaunlich, wenn eine Zeitung mehr florieren würde als früher, nachdem ihre Leserschaft auf einen Bruchteil eingedampft wurde.

Ich tummle mich seit über 30 Jahren in dieser Branche und stelle in aller Bescheidenheit fest: Es gab in der Geschichte der Schweiz noch nie ein schneller wachsendes Medien-Startup als «Die Ostschweiz» in den Jahren zwischen 2020 und 2022. Der Vorwurf lautet nun, wir hätten das nur geschafft, indem wir eine Art unappetitliches Publikum angezogen haben. Dieses Publikum aber bestand aus Lesern, die eine gesunde Distanz zum Staat haben, die nicht alles glauben, was Politiker sagen und die misstrauisch werden, wenn man in ihre Grundrechte und in ihre individuelle Freiheit eingreift.

Das sind die Leser, die ich mir persönlich für meine Texte wünsche. Ich hatte sie, und ich habe sie heute weiterhin, nun eben bei anderen Titeln wie «Weltwoche» und «Nebelspalter». Wenn «Die Ostschweiz» lieber eine machthörige, unkritische, alles glaubende Leserschaft haben möchte, die den Bundesrat nachbetet, sei ihr das unbenommen, und ich wünsche ihr dabei ganz ehrlich viel Erfolg. Immerhin habe ich diesem Medium den Titel gegeben, und das verbindet. Nur wage ich leider die Prognose, dass es auf lange Sicht nicht funktionieren wird. Denn es gibt nun wirklich mehr als genug Zeitungen, die es auf dieselbe Zielgruppe abgesehen haben. Nämlich fast alle. Brauchen wir wirklich noch mehr vom selben?

Zur Transparenz: Der Autor hat 2018 zusammen mit seinem damaligen Geschäftspartner «Die Ostschweiz» gegründet und war nach der Gründung einer Aktiengesellschaft Mitinhaber sowie Mitglied des Verwaltungsrats der Betreiberfirma. Seit einigen Wochen ist er nichts mehr von alledem.