«Seriös» ist, wer die Regierung stützt

Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat eine eigentümliche Wahrnehmung der Medien. Sie unterteilt diese in seriös und unseriös, wobei sie natürlich die Schiedsrichterin ist. Ihren Segen erhält, wer dem Bundesrat nicht lästig im Weg steht – das versteht sie unter «Qualität».

Am «Swiss Media Forum» durfte KKS, wie sie gern genannt wird, über die Rolle der Medien im Land philosophieren. Sie zäumte das Pferd dabei von der falschen Seite auf. Ihre Grundthese: Die Menschen müssten Vertrauen in die Institutionen haben, sonst funktionieren diese nicht. Und daraus leitet sie ab: Die Medien müssen dieses Vertrauen nähren, sonst untergraben sie den Staat.

Pardon, aber: Die Medien müssen sagen, was ist, sie müssen den Staat und seine Institutionen hinterfragen, sie müssen aufdecken, was falsch läuft. Und wenn das zu einem Vertrauensverlust bei der Bevölkerung gegenüber der Regierung führt, ist das nicht die Schuld der Medien. Dann sollte sich diese Regierung vielleicht darum bemühen, eine Politik zu machen, die das Vertrauen verdient.

Theoretisch sagt KKS das alles gemäss diesem Artikel zwar auch noch. Fehler könnten passieren bei den Institutionen, Medien sollten diese aufdecken, das sei eine «noble, notwendige Aufgabe». Das hat sie schön abgelesen vom Manuskript, das ihr beflissene Helferlein aufgesetzt haben. Nur konterkariert sie danach diese Aussagen mit dem ganzen Rest, den sie auch noch erzählt.

Denn sie unterteilt die Medien in verschiedene Kategorien von Hunden. Ja, richtig gelesen, abgeleitet vom Bild des «Wachhunds der Demokratie» teilt sie den Journalisten Hundearten zu. Kläffer, Wadenbeisser, Kettenhund: Da ist bei einem staatlich besoldeten Schreiber wirklich die Fantasie durchgegangen.

Und darauf aufbauend spricht KKS dann von seriösen Medien und allen, die diesen gegenüberstehen. Sie sagt zwar nicht, wen sie zur einen und wen zur anderen Gruppe zählt, aber es wird mehr als offensichtlich. Wer sich in den letzten drei Jahren hinter die Politik des Bundesrats gestellt hat, muss ja seriös sein. Wer kritische Fragen gestellt hat, der hat in den sozialen Medien das Vertrauen in die Institutionen untergraben.

Für die Bundesrätin ist all das, was längst erwiesen ist – direkte Einflussnahme von Medien aus dem Umfeld des Bundesrats beispielsweise – immer noch eine Verschwörungstheorie. Den armen Redaktionen wird Unrecht getan, wenn man von «Lügenpresse» spricht. Und sie leitet davon völlig im Ernst ab, die Medien als «Watchdog» seien gefährdet, weil böse Leute die Medien kritisieren.

Ich fasse zusammen: Wenn ich schreibe, dass die Medien ihre Rolle als demokratieschützende vierte Gewalt nicht mehr wahrnehmen, dann bin ich schuld, wenn die Demokratie nicht mehr geschützt ist? Wäre es nicht irgendwie anders herum?

Mit Verlaub: Niemand würde die Medien kritisieren, wenn sie ihren Job machen und tatsächlich den Wachhund spielen würden. Das haben sie in den letzten Jahren ja eben nicht gemacht. Stattdessen haben sie brav Livestreams des Bundesrats abgespielt, jede von diesem kolportierte Zahl oder Behauptung unhinterfragt wiedergegeben, auf kritische Fragen verzichtet und geholfen, Panik zu verbreiten. Einen solchen Wachhund würde ich mir jedenfalls nicht zulegen. Wenn ein Einbrecher kommt, legt der diesem sogar noch die Juwelenschatulle vor die Füsse.

Die wahren «Watchdogs» sind die Leute in den Medien und sozialen Medien, die auf diese Unterlassungen und Verfehlungen der angeblich «seriösen Medien» hingewiesen haben. Wenn das zu einem Vertrauensverlust gegenüber diesen Medien und dem Bund und seinen Institutionen geführt hat, dann nur, weil sie dieses Vertrauen nicht verdienen.

Es ist absurd, wenn KKS mehr «altmodische Tugenden wie Qualität, Relevanz, Präzision, Fairness und Faktentreue» bei den Journalisten fordert. Hat sie einen Protestbrief geschrieben, als ihr Amtskollege Berset bei SRF völlig unwidersprochen behaupten durfte, Geimpfte seien nicht mehr ansteckend? Verbucht sie das unter «Faktentreue»? Ist das «seriös»?

Mir ist völlig klar, dass man als Bundesrat lieber Medien hat, die einen loben. Das ist nur menschlich. Aber zu behaupten, diese Medien seien die Wachhunde der Demokratie, ist reine Satire. Sie sind deren Totengräber.