Rache oder Aufarbeitung?

Wir debattieren derzeit über die Impf-Lüge, die diskussionslos eine war. Doch in den letzten zweieinhalb Jahren ist weit mehr geschehen als das. Einige willkürlich herausgepickte Beispiele – und die Frage, wie die Verfechter der Wahrheit nun damit umgehen sollen.

Die Diskriminierung Ungeimpfter war ohne jede Frage ein Kristallisationspunkt der Coronazeit. Unvergessen, wie wir ausgesperrt wurden aus dem öffentlichen Leben. Der mit Abstand meistgelesene Beitrag meines Blogs war mein persönlicher Bericht von einem Jahrmarktsbesuch meiner Kinder, nachzulesen hier. Viele haben nicht verstanden, um was es darin ging. Es gab Vorwürfe, ich würde aufgrund des eigenen Beispiels auf die Tränendrüse drücken. Die Schilderung drehte sich aber nicht um mich – sie stand stellvertretend für unzählige Erfahrungen in diesem Land.

Aber nun, da die erste Schranke von hoffentlich vielen niedergerissen ist, fallen uns endlos viele andere Beispiele von Willkür, Absurdität und schierer Ungerechtigkeit ein. Selbst wenn wir vieles davon am liebsten verdrängen würden.

Ich erinnere mich daran, wie ich 2020 im Westen der Stadt St.Gallen Augenzeuge eines Polizeieinsatzes war. Die Hüter des Gesetzes zogen ein wirklich hartes Kaliber aus dem Verkehr: Einen medizinischen Masseur, der während des Lockdowns einen Kollegen mit akuten Rückenschmerzen in seiner Wohnung zu einer Behandlung empfing. Wie kann man nur? Vermutlich wäre die globale Pandemie zu einem Ende gekommen, wenn die Ordnungshüter fünf Minuten früher eingetroffen wären.

Die Polizei hatte dabei freiwillige, unbezahlte Helfer. Eilfertige Nachbarn, die – vermutlich mit einem Feldstecher bewaffnet – observierten, was sich im Quartier gerade tut. Denunzianten, die offenbar nichts Wichtigeres zu tun hatten, als ihr Umfeld an der ehrlichen Arbeit oder einem unschuldigen Vergnügen zu hindern. Wozu? Wir wissen es längst. Für nichts. Evidenzlos, sinnlos.

Mehr Texte wie diese? Das machen Sie möglich – mit Ihrer Spende.

Da waren die Schulkinder, die sich gegenseitig fertig machten. Hier das Kind, das mit gesundem Menschenverstand ausgestattet befand, für die sieben Meter zwischen Garderobe und Turnhalle mache eine Maske wenig Sinn. Dort die anderen Kinder, die instrumentalisiert von ihren Eltern sofort mit dem Vorwurf kamen, das andere Kind sei damit verantwortlich für den Tod vieler Leute. Was das einer Kinderseele antut, können wir nur ahnen.

Die Liste wäre endlos, und ich habe wenig Lust, sie komplett aufzuführen. Jeder von uns hat seine Geschichte. Und wer will, darf sie mir gerne schicken. Doch es geht längst um mehr als um einzelne Anekdoten. Es geht um die Frage: Was tun wir mit dem erhärteten Wissen darüber, wie viel Unrecht im Namen einer völlig unverhältnismässigen Politik geschehen ist?

Denn so verärgert wir über die erwähnten Nachbarn und Eltern auch sein mögen: Sie wurden auf diesen Weg geleitet. Von einer Politik und von Medien, die unablässig betonten, dass der sklavische Gehorsam richtig sei, dass jedes Ausscheren unsolidarisch sei. Erinnern Sie sich an die Kampagne des Bundesamts für Gesundheit unter dem Titel «Mach’s einfach»? Das war ein Aufruf dazu, nicht mehr selbst zu denken, sich unterzuordnen. Es gab noch nie widerlichere Plakate als diese. Sie machten eine Gesellschaft zu unmündigen Vasallen, die gefälligst zu gehorchen hatten, selbst wider besseres Wissen.

Und jetzt? Noch ist das Kartenhaus nicht eingestürzt. Die Leute, die ihre Nachbarn ausspioniert oder ihre Kinder instrumentalisiert haben, halten weiter am Märchen fest. Die Wahrheit wäre wohl zu schmerzhaft. Aber was, wenn es irgendwann so weit ist? Wenn niemand mehr leugnen kann, dass wir geplant hinters Licht geführt wurden? Geht es uns dann um Vergeltung oder darum, das Geschehene aufzuarbeiten, auf dass es nie wieder passieren möge?

Darauf hat jeder seine eigene Antwort. Mir persönlich ist es zentral, dass wir politische Mechanismen installieren, die eine Wiederholung des Wahnsinns verunmöglichen. Ganz nach dem Motto: Nie wieder.

Aber ich gebe auch gern zu, dass mit diesem flügellahmen Parlament, das wir uns mit unserem Steuergeld leisten, so etwas schwer vorstellbar ist.

Ich weiss nicht, ob Rachegefühle angesichts des erlittenen Unrechts der richtige Weg sind. Was ich aber sicher sagen kann: Sie sind sehr, sehr verständlich.

Danke für Ihre Unterstützung meiner Arbeit.