Die Parallelen zwischen Corona und der Ukraine

Seltsamer Titel? Nicht wirklich. Es gibt eine verblüffende Parallele. Sie lautet: Übernimm, was politisch korrekt ist, stell keinerlei Fragen, ansonsten wirst du in die Schublade der Widerwärtigkeiten gesteckt. Nachdenken ist nicht erlaubt. Zweifel schon gar nicht. Erzähl weiter, was dir gesagt wird – und bloss nichts anderes.

Die Kritiker der Coronamassnahmen sind meist zugleich auch Putin-Versteher. Alles das gleiche Gesocks. Es sind Leute, die keine vorfabrizierten Denkmuster automatisch wiederholen, sondern ganz gerne darüber nachdenken und sprechen würden. Das geht gar nicht. Jedenfalls nicht im Jahr 2022. Wo kommen wir denn da hin, wenn das jeder täte? Oder nur schon einer?

Zwei grundlegend unterschiedliche Dinge, dieselbe Mechanik. Bei Corona galt: Selbst wenn jemand die Existenz von Viren nicht leugnete und zweifelsfrei einräumte, dass diese bei gewissen Konditionen zu schweren Erkrankungen oder gar dem Tod führen können, war er erledigt, sobald er ein sanftes «aber» nachschob. Zum Beispiel eine unschuldige Frage wie: «Sind die Massnahmen sinnvoll?» Oder: «Ist es verhältnismässig, aufgrund der Risiken die ganze Gesellschaft diesen Massnahmen zu unterwerfen?»

Wer das tat, war wahlweise ein Coronaleugner oder zumindest ein Coronaverharmloser. Weg damit. Werfen wir ihn der Twitter-Bubble zum Frass vor, da bleibt erfahrungsgemäss nicht viel übrig. Die Meute ist gierig und gnadenlos.

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Beim Krieg in der Ukraine läuft es ähnlich. Man kann den unbegreiflichen Überfall Russlands verurteilen, Putin Schimpf und Schande austeilen und ein baldiges Ende des Todes herbeisehnen. Sobald man darüber hinaus aber gern ein bisschen mehr wissen würde – wie sieht die Vorgeschichte aus, was kann man daraus lernen, welche Rolle spielte die Nato oder die ukrainische Regierung, wie lässt sich das für die Zukunft verhindern –, ist man ein «Putinversteher», der den Krieg und das Elend der Zivilbevölkerung verharmlost. So einfach geht das. Und so schnell.

Früher war man ein Kriegstreiber, wenn man den Krieg verherrlichte. Heute ist man ein Kriegstreiber, wenn man mehr über den Krieg wissen will. Wenn man verstehen will.

Wir dürfen nicht mehr nachdenken. Wir dürfen keine Fragen mehr stellen. Wir dürfen keine Zweifel mehr äussern. Alles, was wir noch dürfen, ist das hier: Nachbeten, was uns die Instanz der politischen Korrektheit in den sozialen Medien vorgibt. Jeder Schritt mehr führt ins Verderben. Abweichler sind Kriegstreiber. Oder wahlweise Virenverharmloser, die andere Menschen in den Tod laufen lassen. Man darf es sich aussuchen.

Die Medien spielen mit. Die wollen natürlich auch nicht ins Verderben geraten. Deshalb vermeiden sie tunlichst alles, was in irgendeiner Weise als Relativierung verstanden, pardon, missverstanden, werden könnte. Es gilt die reine Lehre.

Wo führt das hin? In erster Linie in eine Gesellschaft, die reflektierende, kritische Bürger aussperrt. Die eine alleinseligmachende Wahrheit definiert, der dann alle Folge zu leisten haben.

Lerneffekt? Null. Entwicklungschancen: Unter null.

Werden wir auf diese Weise schlauer? Kaum. Eine Gesellschaft, die auf ein vorgegebenes Narrativ gekämmt wird, die alles aussondert, was gern mehr wissen wollen würde, ist dem Verderben ausgesetzt. Es droht der totale Stillstand. Wir werden nur noch dümmer. Dasselbe Schema hat bereits bei anderen Themen funktioniert. Klimawandel? Übernimm gefälligst die angesagte Panik und stell keine Fragen! Gender? Es ist eben einfach richtig, sich dem zu unterwerfen, die Sinnfrage ist total deplatziert!

Wir sind dem Ende geweiht, wenn wir das weiter zulassen. Und das ist ausnahmsweise mal eine apokalyptische Prophezeiung, die nicht übertrieben ist.

Ich persönlich habe rein gar nichts mit Wladimir Putin am Hut. Ich finde den Mann ziemlich furchterregend und halte eine Welt ohne ihn für eine bessere. Die Kriegsbilder aus der Ukraine machen mich krank. Ich will, dass es aufhört. Das ist gar keine Frage. Aber darüber hinaus mag ich mir doch auch nicht das Denken völlig verbieten lassen. Ich will die Freiheit haben, Fragen zu stellen.

Es ist kein Wunder, dass die Menschen von den arrivierten Medien Richtung Telegram-Gruppen und ähnlichen Kanälen rennen. Journalisten, die das beklagen, sollten sich vielleicht mal die Frage stellen: Hat es etwas damit zu tun, dass wir bei uns das Denken längst verboten haben – und es immer noch Menschen gibt, die ganz gerne nachdenken würden?

Ich würde meinen Kindern gern beibringen, Fragen zu stellen, kritisch zu bleiben, nachzudenken. Gleichzeitig muss ich ihnen fairerweise aber wohl vermitteln, dass das im Jahr 2022 der direkte Weg in die Ausgrenzung ist. Wenn sie jemand sein wollen, müssen sie sich auf Twitter ein Bild darüber verschaffen, was man gerade zu denken hat und dann das einfach wiederholen. Das ist die Strasse zum Erfolg.

Und, natürlich, die Strasse Richtung Abgrund für unsere ganze Gesellschaft.