Warum ich die Bürokratie so sehr liebe

Ja, ich gebe es zu, der Titel ist reines Clickbaiting. Denn natürlich liebe ich die Bürokratie in keiner Weise. Sie ist das Gegenteil des gesunden Menschenverstandes. Und weil ich diesen liebe, hasse ich die Bürokratie. Ein kleines Beispiel aus dem Alltag.

Derzeit bin ich im munteren Austausch mit einem Unternehmen, das Zahlungen abwickelt. Einem solchen Anbieter muss man zuerst einmal beweisen, dass man der ist, der man vorgibt, zu sein. Dazu muss man den Scan eines Ausweispapieres liefern. Das kann ich nachvollziehen.

Danach geht es um den Nachweis, dass ich nicht nur der Mensch bin, von dem ich behaupte, ich sei es, ich muss auch belegen, dass ich an der Adresse wohne, die ich im Formular angegeben habe. Dafür hätte man gern die Kopie eines amtlichen Dokuments oder einer Telefonrechnung (natürlich nur Festnetz) oder der Stromrechnung oder auch eines Bankauszugs.

Da ich kein Festnetz habe (hat das wirklich noch jemand?) und aufgrund eines kürzlichen Umzugs über keinerlei anderweitige Belege mit meiner neuen Adresse verfüge, ist das für mich nicht ganz einfach. Ich kann zwar zweifellos versichern, dass ich seit meinem Umzug in einem anderen Haus wohne, jedenfalls gehe ich dort jede Nacht zu Bett und wache dort jeden Morgen auf. Mir ist auch meine neue Wohnadresse bekannt, sonst würde ich ja abends nicht mehr hinfinden. Aber das reicht Bürokraten natürlich nicht, ich muss es mit einem Dokument beweisen. Doch wie nur? Wenige Wochen nach dem Umzug erreicht mich fast alles nach wie vor per Nachsendeauftrag, weil ich schlicht noch nicht jeden Pipifax-Absender von meinem Umzug unterrichtet habe.

Aber Hosianna, da lag sie in der Post, die Einladung zur Innerrhoder Landsgemeinde! Mit dabei: Ein Stimmrechtsausweis, lautend auf meinen Namen und auf meine neue Adresse, versehen mit dem Absender inklusive Logo meines Wohnkantons. Amtlicher geht es gar nicht.

Pustekuchen. Die Kategorie «Stimmrechtsausweis» kennt der bewusste Zahlungsanbieter offenbar nicht. Die Eingabe wurde nicht akzeptiert. Ein Stimmrechtsausweis, so etwas wie eine kleinformatige Bibel für jeden Schweizer, ist offenbar kein amtliches Dokument. Obwohl er von einem Amt ausgestellt wurde.

Und da kommt der gesunde Menschenverstand zum Zug. Der leidet Höllenqualen.

Nur mal theoretisch. Ich könnte bei einem Schrumpel-Telefonie-Startup namens «Hutzelputzel Communications» einen monatlich kündbaren Vertrag für CHF 29 abschliessen und beim Aboabschluss eine Fantasieadresse – vielleicht Micky-Maus-Weg 17? – angeben. Danach würde ich mir die Rechnungen auf elektronischem Weg zustellen lassen via E-Mail (was ich sowieso mache) und hätte dann einen Beleg dafür, dass ich am Micky-Maus-Weg 17 wohne. Denn diese Adresse wäre auf der elektronischen Rechnung.

Das wäre dann die todsichere Garantie für den Zahlungsanbieter, dass das meine völlig korrekte Adresse ist. Viel mehr Garantie als ein Schreiben des Kantons, bei dem ich verpflichtet bin, meine korrekte Adresse anzugeben und der mir seine Sachen per Briefpost zustellt.

Muss man das verstehen? Nein. Man kann gar nicht. Weil es eben Bürokratie ist. Und die besteht aus Schikanen, die keinen Sinn machen, aber einem Regelwerk entsprechen, die irgendein unterbeschäftigter Sachbearbeiter irgendwann mal in einem Bundesordner abgelegt hat.

Denkt man zwei Minuten darüber nach, merkt man, wie absurd das ist. Aber die meisten Leute werden ja nicht fürs Nachdenken bezahlt. Sondern für den Vollzug von Verordnungen, die nicht auf logischen Gedanken beruhen.