Wer hat noch nicht, wer will nochmal? Mein kleines Satire-Büchlein «Das Corona-ABC» ist nach wie vor erhältlich. Anbei ein Auszug zum Buchstaben «C» als Verlockung.
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C wie Carola
Mein guter alter Freund Marco Rima, vor der gesellschaftlichen Ächtung erfolgreicher Bühnenkünstler, pflegt Corona als «Carola» zu bezeichnen. Was natürlich nicht unbedingt nett ist, wenn man wirklich Carola heisst. Der Zufall will es aber, dass es rund um Corona wirklich eine Carola gibt. Sie ist sehr aktiv in den sozialen Medien und als Buchautorin, wo sie sich «Doc Caro» nennt, und ich vermute, dass die Coronazeit für sie ziemlich einträglich ist. Selbstredend möchte ich an dieser Stelle kein persönliches Bashing betreiben. «Doc Caro» ist einfach ein wunderschönes Einzelbeispiel für eine gesellschaftliche Erscheinung.
Die Dame, übrigens in der Tat Ärztin, was heutzutage aber leider nicht mehr viel heisst, hat sich festgebissen am Thema «Langzeitfolgen». Sollte ich morgen mit einem Brummschädel aufwachen, weil ich etwas gar tief ins Glas geblickt habe, dürfte ich nach ihr wohl irgendwie ein Opfer von «Long Covid» sein, ohne das Virus jemals aus nächster Nähe gesehen zu haben. Doc Caro ist sehr grosszügig bei dieser Definition. In aller Kürze sagt sie das Folgende: Beschwerden, die nach einer Impfung auftreten, haben selbstverständlich nie etwas mit der Impfung zu tun, aber jede Beschwerde, die ein Ungeimpfter feststellt, ist mit Garantie eine Folge einer Infektion, selbst schuld, sorry.
Falls jemand leichte Zweifel an ihrer These hat, muss ich darauf hinweisen, dass Carola Holzner, so heisst Doc Caro mit vollem Namen, die Argumente auf ihrer Seite hat, weil sie über das Gesamtpaket verfügt, das man im medialen Zeitalter benötigt. Konkret umfasst dieses einen Doktortitel, ein einprägsames Gesicht, eine poppige Kurzhaarfrisur und viele Tattoos auf den Armen. (Disclaimer: Ich hätte diese äusserlichen Merkmale auch bei einem Doktor Karl Holzner aufgeführt. Sie sind wichtig, denn die Frau ist inzwischen ein Produkt, und das verkauft sich auch durch die Erscheinung. Ihre Mischung kann man medial verkaufen.)
Zu Beginn ihres Aktivismus war ich fest davon überzeugt, dass Doc Caro eine Art weiblicher Hirschhausen ist, also eine medizinische Fachperson, die gleichzeitig Kabarett macht. Denn was sie sagt, kann sie ja eigentlich nicht ernst meinen. Solche Hoffnungen erfüllen sich aber leider selten.
Die Spezialität der Notfallärztin: Ihr schier unbegrenztes Wissen auf niederschwellige Weise vermitteln. Sie schreibt so, dass es Otto Normalverbraucher versteht. Das ist durchaus eine Qualität. Hin und wieder lotet sie dabei allerdings auch Grenzen aus, beispielsweise, wenn sie einen ungeimpften deutschen Fussballspieler als «Volltrottel» bezeichnet. Der hatte, unverschämt aber auch, thematisiert, dass ihm Langzeitstudien rund um die Impfung fehlen und er vorderhand deshalb darauf verzichten wolle. Was Doc Caro nicht lustig fand, gerade aus dem Mund eines sportlichen Vorbilds.
Das Wort «Langzeitfolgen» kritisierte sie in einem langen Blogbeitrag. Der Begriff diene «oft einfach als Universalausrede und ‚Totschlagargument‘, und das sogar fälschlicherweise». So quasi: Wie kann man nur zu diesem frühen Zeitpunkt von möglichen Langzeitfolgen plappern! Die Impfung gibt es ja noch nicht so lange.
Umgekehrt gilt das aber nicht. Geht es um Corona und «Long Covid», dann sind Langzeitfolgen für Doc Caro selbstredend keine «Universalausrede», sondern ganz furchtbar schlimm. Long Covid sei «wissenschaftlich tausendfach untersucht worden.» Das mag sein. Vermutlich in erster Linie, weil man das ganz dringend untersuchen wollte, um zu demonstrieren, wie schlimm es ist. Dieser Ehrgeiz fehlt der «offiziellen» Medizin bei der Impfung, niemand hat das Bedürfnis, allfällige Probleme des Impfstoffs aufzudecken. «Long Covid» hingegen muss einfach ein Schlager werden. Deshalb hat man schon wenige Monate nach Auftauchen des Virus davon gesprochen, und wer ein paar Wochen nach Erkrankung niest, wird nie wieder ein gutes Leben haben.
Fassen wir zusammen: Das Wort Langzeitfolgen als Argument gegen die Impfung geht nicht, weil das Wort Langzeitfolgen «eine Universalausrede» ist. Das Wort Langzeitfolgen durch die Coronaerkrankung als Argument für die Impfung hingegen ist ein sachliches, in sich total stimmiges Argument. Dasselbe Wort. Einmal geht es gar nicht, einmal ist es absolut zentral.
Das klingt ein bisschen, nun, absurd. Aber ich bin ja kein «Doc Milli» oder so, ich habe keinerlei Titel und bin vermutlich einfach zu doof, um zu begreifen, dass diese Dinge nicht vergleichbar sind. Gut also, dass die Frau Doktor gleich ein Beispiel dafür gibt, warum es bei der Impfung keine Langzeitfolgen gibt. Leide jemand nach einer Impfung unter Narkolepsie, sei das keineswegs eine Spätfolge des Stichs, sondern «eine Impfnebenwirkung, die verspätet auffiel».
Gut, das ist nun Hirschhausen im Quadrat. Annahme: Sie lassen sich impfen, einige Wochen oder Monate später leiden Sie unter Narkolepsie, aber das ist dann keine Langzeitfolge, nein, sorry, wir haben es einfach nur sehr viel später gemerkt! Das ist praktisch. Man muss nach einer Impfung einfach möglichst lange nicht genau hinschauen, dann wird man auch keine Spätfolgen entdecken. Treten sie auf, dann sind sie nur ganz normale Nebenerscheinungen, die man zuvor übersehen hat. So einfach macht sich nicht einmal Pippi Langstrumpf die Welt.
Aber: Wenn Sie hingegen an Corona erkranken und fünf Wochen später beim Treppensteigen noch ein bisschen schwer atmen, dann ist das «Long Covid», und wie! Nicht etwa einfach das Nachhallen einer Lungenerkrankung, wie sie ganz einfach üblich ist, weil der Körper ein Weilchen braucht, um sich zu erholen.
Kaum ein Mensch kannte Doc Caro vor Corona. Nun schreibt sie Bücher und sitzt in Talkshows, und vermutlich verbringt sie mehr Zeit vor der Kamera als mit Patienten. Und sie scheint es zu lieben. Damit ist sie in einer Spirale angekommen: Sie muss dauernd nachliefern, und das möglichst kernig. Damit ihr weiterhin Leute zuhören, muss sie die Paniktrommel wuchtig schlagen. Logik stört da nur. Damit hat sich Carola Holzner in meiner persönlich entwickelten «Lauterbach-Skala» ziemlich weit nach oben geschoben, und wenn sie dort bleiben will, darf sie nicht nachlassen.
Aber vielleicht bin ich ja auch nur neidisch, weil die Dame mehr Bücher verkauft als ich.