Da hatte er so furchtbar viel Stress, und dann lässt man Alain Berset einfach in seinem alten Departement sitzen, obwohl er gerne gewechselt hätte. Das Onlineportal «Watson» zerfliesst vor Mitleid. So viel Arbeit – so viel Undankbarkeit.
In der Schweiz ist es die Höchststrafe, wenn man in den Bundesrat gewählt wird. Danach beginnt eine lange Leidenszeit. Noch schlimmer ist es, wenn man stets wiedergewählt wird. Und der Höhepunkt der Demütigung ist die Wahl zum Bundespräsidenten.
All das erleidet Alain Berset seit elf Jahren. Kommt dazu, dass er uns in unermüdlichem Wirken weise und umsichtig durch die Coronazeit geführt hat. Und wie dankt man es ihm? Mit einem miserablen Resultat bei der Bundespräsidentenwahl. Und damit, dass man ihn im Departement des Innern versauern lässt, wo er doch so gerne gewechselt hätte. Ein undankbares Pack, diese restlichen sechs Bundesräte.
So. Das war sarkastisch. Aber es gibt Leute, die das völlig ernst meinen. «Watson» beispielsweise. In einer Nachlese zur Vergabe der Departemente schreibt das Medium:
«Eigentlich ist das ein Affront ohnegleichen. Anscheinend haben viele vergessen, welche Schwerarbeit Alain Berset während den beiden Pandemiejahren als Gesundheitsminister verrichten musste. Er hielt für das Kollegium den Kopf hin und musste viel einstecken. Kürzlich enthüllte die «Sonntagszeitung», dass Berset rund um die Uhr Personenschutz hatte. (…) Die Erschöpfung stand ihm zeitweise ins Gesicht geschrieben. Ein Neustart wäre ihm zu gönnen gewesen (…)»
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Ich weiss nicht, wie meine Leser das sehen, aber aus meiner Warte hat sich Berset dieses übermenschliche Mass an Arbeit grösstenteils selbst eingebrockt. Wer hat ihn gezwungen, sich von den falschen Beratern durchs Dorf treiben zu lassen und sich dabei im selbst angeordneten Dschungel der Massnahmen zu verirren? Und für wen genau hielt er da den Kopf hin? Für die Kollegen, die er höchstpersönlich in seiner oft betonten dominanten Rolle im Bundesrat immer und immer wieder dazu anhielt, ihm zu folgen auf seinem Weg der schieren Unverhältnismässigkeit?
Er sei der «Corona-Krisenmanager» gewesen, lobt «Watson» danach. Dazu zwei Dinge.
Erstens ist es nichts anderes als selbstverständlich, dass man eine Krise, die man selbst verursacht hat, auch ausbadet. Covid-19 war niemals die Krise, als das es verkauft wurde. Was sich wirklich zur Krise auswuchs, waren die durch die Massnahmen verursachten Schäden. Ruinierte Betriebe, Schuldenberg, Bildungsrückstand, Menschen, die einsam starben. Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, dass Berset bisher irgendetwas von der wirtschaftlich-menschlichen Einöde, die er kreiert hat, «gemanagt» hätte.
Zweitens verstehe ich offenbar den Begriff «Management» falsch, wenn seine Arbeit ein Glanzstück dieser Disziplin war. Vor laufender Kamera über eine längst bekannte Tatsache wie die Ansteckbarkeit durch Geimpfte zu lügen scheint mir nun keine Medaille wert. Völlig evidenzlos Massnahmen weiterzuführen oder immer wieder aufzunehmen ebenfalls nicht. Eine Abstimmungsvorlage durchzubringen, indem man munter nicht zusammenhängende Dinge reinpackt und so den Bürgern das Messer an die Brust setzt erst recht nicht.
«Watson» weiter im Text:
«Undankbarer kann man Bersets Arbeit als Corona-Krisenmanager kaum «honorieren». Er hat keineswegs alles richtig gemacht und ist mit seinen privaten Eskapaden angeeckt. Doch es scheint ganz so, als ob die Schweiz Corona einfach vergessen will.»
Vielleicht müsste man hier noch hinschreiben, wofür genau «Dankbarkeit» angezeigt wäre. Für die Spaltung der Gesellschaft? Die Diskriminierung und Diskreditierung Ungeimpfter? Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Und bei keinem Stichwort durchfährt mich besondere Dankbarkeit.
Kommt dazu: Es ist Dankbarkeit genug, dass man den Innenminister nicht höflich aufgefordert hat, zu gehen, nach all dem, was er sich auf privater Seite geleistet hat. Diese gnädige Haltung müsste für zehn Bundesratskarrieren reichen.
Und nein, wir wollen Corona nicht «einfach vergessen». Ganz im Gegenteil. Wir erinnern uns sehr intensiv. Nur scheint diese Erinnerung ganz anders auszusehen als bei den Leuten von «Watson».
Übrigens hat Alain Berset erst gerade vor Kurzem neue Kommunikationsleute angestellt. Es gibt also aktuell keinen Grund, sich mit einem solchen Artikel bei ihm zu bewerben.
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