Nein, kann man natürlich nicht. Jedenfalls nicht generell. Aber immerhin mal einen Abend lang. Ich habe mich nach langem Zögern getraut, die Realsatire in Bühnensatire zu verwandeln. Hart war das nicht. Nie war es einfacher als heute, Pointen zu setzen. Sie wurden einem ja zwei Jahre lang frei Haus geliefert.
Ich habe zwar nicht viel von der Gegend gesehen, aber die «Konservi Seon» (im Bild) empfehle ich allen Freunden der Kultur. Wunderschöner Saal, nette Leute. Hier durfte ich mein Kabarettprogramm «Die Corona-Therapie» uraufführen. Erste Ideen dazu gab es schon im Herbst 2021. Aber irgendwie war es zu früh, sich dem Ganzen von der sarkastischen Seite zu nähern. Wir steckten noch mittendrin. Es galt immer noch, sich in der realen Politik gegen den Wahnsinn zu stemmen, die Illusion, die eine Bühne hervorruft, schien mir noch nicht angebracht. Aktuell sind wir zumindest zum grössten Teil von den unmittelbarsten Einschränkungen befreit, und auch wenn viele auf die baldige Aufarbeitung dieser zwei Jahre hoffen, liess sich nun halbwegs entspannt die Perspektive wechseln.
Ich habs auf der Bühne gesagt, und es ist die reine Wahrheit. Die kabarettistische Umsetzung der beiden Coronajahre ist mit früheren Programmen nicht zu vergleichen. Dort, wo man sonst gerne eine Sachlage zuspitzt, um den humoristischen Effekt zu erzielen, war das dieses Mal nicht nötig – und auch kaum möglich. Es gab schlicht kein Steigerungspotenzial dessen, was in der Realität veranstaltet wurde. Wie will man beispielsweise das Gebaren der wissenschaftlichen Task Force karikieren? Oder anders gefragt: Wie soll denn eine Karikatur der Karikatur bitte aussehen?
Oder ein anderes Beispiel. Würde man in einem Film eine leicht abgedrehte Figur mit missionarischem Wahn so darstellen wie Karl Lauterbach, würden Kritiker vermutlich bemängeln, das sei zu viel des Guten, zu weit weg von der Realität, zu sehr Fiktion. Aber Lauterbach ist Realität, und in dieser Realität wurde er erst noch belohnt für die massenhafte Verbreitung der schieren Paranoia. Eine echt Welt, echte Ereignisse – aber eine Story, die ein Drehbuchlektor in die Tonne werfen würde. Glaubt uns kein Mensch, würde er sagen.
Also: Viel tun muss man nicht bei einem satirischen Rückblick auf die Coronasituation. Die Realsatire war allgegenwärtig, die Widersprüche mit Händen greifbar. Gelacht wird nicht, weil das, was geschehen ist, so furchtbar lustig ist. Gelacht wird, weil Realsatire und Widersprüche in der Ballung ein Panoptikum der Absurditäten zeigen. Zwei Jahre im Zeitraffer machen deutlich, was mit uns gemacht wurde – und was wir über weite Strecken mit uns haben machen lassen. Das kann Grund zur Verzweiflung sein, aber eben, dafür ist die Bühne da: Damit diese Verzweiflung weggelacht werden kann. Was nicht heisst, dass man sich dem Ganzen nicht parallel dazu auch mit dem nötigen Ernst widmen sollte. Weiterhin.