Und der Preis geht an… Oh. Mein. Gott.

Es gibt mehr Auszeichnungen für Schweizer Künstler, als es Schweizer Künstler gibt. Daher kommt jeder mal an die Reihe. Mindestens ein Mal. Aber das hier… ernsthaft?

Wer hat kürzlich mal so richtig gelacht über Mike Müller? Ja, klar, wir haben das alle oft getan, aber ich meine: Wann haben wir kürzlich mal so richtig gelacht über Mike Müller, als dieser auch WOLLTE, dass wir lachen? Also, nicht unfreiwillig, sondern bewusst herbeigeführt?

Keine Ahnung. Ich kann mich persönlich jedenfalls nicht daran erinnern. Klar, der Mann hat jahrelang tadellos einen Kaffee für Victor Giacobbo rausgelassen und dann, endlich wieder in seinem Stuhl angelangt, artig vorgelesen, was ihm seine Pointenschreiber vorbereitet haben. Aber ansonsten? Und danach?

Ich kann mich eigentlich nur an seine Twitteraktivitäten erinnern. Der Müller, der am Rad dreht. Der offenbar in permanenter und überbordender Angst um sein eigenes Leben ist. Der von der drohenden Gefahr für Leib und Leben überzeugt war und jeden, der um ein bisschen Verhältnismässigkeit gebeten hat, in niederster Art und Weise diskriminiert hat. Der Mike Müller ist mir ziemlich präsent. Ich finde, wenn jemand auf der Bühne lustig ist, darf er abseits der Bühne auch austeilen. Kein Problem.

Aber eben: Wenn.

Nun wird der bewusste Mike Müller mit einem Kleinkunstpreis ausgezeichnet, dem «Cornichon», nachzulesen hier. Wir gönnen ihm das leicht inzestuös angehauchte Erfolgserlebnis (eine in sich verschworene Gemeinschaft belohnt die treue Gefolgschaft zu der Gemeinschaft), aber die Frage sei erlaubt: Was bitte ist dieser Preis wert? Nicht in Geld. Nur in Bedeutung.

Es geht bei der aktuellen Preisverleihung nicht um die Frage, was jemand auf der Bühne leistet. Sondern um alles daneben. Müller war der Inbegriff der Gehorsamkeit. Der Mann, der nicht nur geschwiegen hat – wie das leider viele Künstler taten –, sondern der auch proaktiv in den Schoss der Leute gekrochen ist, die ihn das Jahr über füttern. Vielleicht hat er es wirklich aufgrund einer persönlichen Paranoia getan, dann tut mir mein harsches Urteil leid. Aber ein Schuss Opportunismus war mit Garantie mit dabei. Wer stets die Nase im Wind hatte, hat früh begriffen, dass es der Karriere förderlich ist, wenn man nachbetet, was die Brötchengeber – also der Bund, die SRG und Co. – vermitteln.

Aber Müller hat natürlich mehr getan als nur das. Er hat uns allen (also auch denen, die einige durchaus berechtigte Fragen zu den Coronamassnahmen hatten) vermittelt, dass wir die letzten Deppen sind, dass wir eigentlich gar nichts sagen dürften und dass er sich ein klein wenig, also, nur ansatzweise, nach einer Diktatur sehnt, die denen die Gurgel zuschnürt, die nicht einfach «Ja, Regierung, bitte mehr davon!» sagen.

Der Mann ist der Absolutismus in Person. Er hat nie auch nur ansatzweise signalisiert, dass es allenfalls möglich sein könnte, dass Zweifel berechtigt sind. Stattdessen hat er alle Zweifel in einen Topf mit einem von ihm selbst angerichteten unappetitlichen Brei geworfen und sinngemäss verkündet: «Wer nicht an meiner Seite ist, gehört ausgeschlossen aus der Gesellschaft.»

Damit war er nicht allein. Alles andere als das. Die Frage ist nur, warum man das mit einem Preis belohnen muss. Der einzige Trost ist, dass sich kein Schwein für diesen Preis interessiert.

Klar, er hatte gute Gesellschaft. Peach Weber beispielsweise ist auch gefangen in den eigenen Angstzuständen und betrachtet jeden, der sich um allfällige Kollateralschäden für die Gesellschaft sorgt, als potenziellen Mörder. Aber der gute Peach wollte ja nie mehr sein als der Mann, der mit einem Notenständer vor sich abgekupferte Schenkelklopfer wiedergibt. Das kann ich in dieser formvollendeten Banalität sogar irgendwie respektieren. Aber Mike Müller ist eine andere Liga. Der tut leider so, als wäre er mehr als das. Und nun, dank dem erwähnten Preis, glaubt er das vermutlich sogar wirklich.

Es gab eine Zeit, da wurden Künstler nicht nur an dem gemessen, was sie darbieten, ob auf einer Leinwand oder auf einer Bühne, sondern an dem, was sie als Ganzes repräsentieren. Die Kunst war der Stachel im Fleisch der Mächtigen, immer an der Seite derer, die unter dieser Macht litten. Neuerdings kommt man als Künstler zu höchsten Ehren, wenn man die Macht blind verteidigt und auf die eindrischt, die diese Macht begrenzen wollen.

Ich habe nie etwas gehalten von Kulturförderung und irgendwelchen Kulturpreisen, die letztlich nur dazu dienen, Leute durchzufüttern, die es auf dem freien Markt nicht schaffen. Diese Idee des kulturellen Heimatschutzes erhält nun leider weiter Auftrieb. Offensichtlich ist man nicht nur vor dem Staat, sondern sogar vor der eigenen Branche der Held, wenn man das eigenständige Denken einstellt und unreflektiert übernimmt, was einem vorgekaut wird. Müller ist das beste Beispiel dafür.

Wenn Kunst heute noch wäre, was sie sein müsste, wäre der «Cornichon» an jemanden gegangen, der den Idealen der Kunst nachlebt. Marco Rima beispielsweise oder Andreas Thiel. Jemanden, der ohne Rücksicht auf Verluste seine Haltung vertritt. Der sich keine Gedanken darüber macht, was das für die eigene Karriere bedeutet und der erst recht nicht – meine Güte, ernsthaft, wie banal – Angst vor einer Erkrankung hat. Der bis zum bitteren Ende für die Werte unserer Gesellschaft einsteht. Stattdessen geht die Auszeichnung an einen, der seine eigene Paranoia zum Massstab für alle gemacht hat und dadurch nebenbei noch zum Liebkind des Establishments geworden ist.

Kulturpreise? Spätestens jetzt: In die Tonne treten. Sie sind nur die Weiterführung der staatlich abgesegneten Beliebigkeit.