Rechte können keine Zeitung lesen

Der Bund teilt uns mit, wer in der Schweiz über «Medienkompetenz» verfügt und wer zu doof ist, Zeitung zu lesen. Das Resultat ist wenig überraschend – aber kreuzfalsch.

Dieser Artikel erschien zuerst auf nebelspalter.ch im Rahmen der wöchentlichen Kolumne «Medien mit Millius». Wer sie regelmässig lesen will: Hier kann man abonnieren.

Sich und seine eigenen Fähigkeiten kann man bekanntlich schlecht einschätzen. Man ist einfach zu nah dran an sich selbst und möchte sich ja nicht schlecht finden. Das wäre auch nicht besonders gesund. «Liebe dich selbst», heisst die Devise. Aber was, wenn man sich für den nächsten Einstein hält, wo es doch beruflich nur gerade knapp für den öffentlichen Dienst reicht?

Gut daher, dass es die Bundesverwaltung gibt. Die sagt uns nämlich glasklar, ob wir hochbegabt oder grenzdebil sind. Oder auch nur, wie es um unsere «Medienkompetenz» steht. Es ist der nackte Wahnsinn, welches umfassende Dienstleistungspaket wir für unsere Steuerfranken bekommen.

Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) hat diese Frage untersucht, natürlich repräsentativ. Die Bilanz: Wer sich selbst als «politisch rechts» einordnet, verfügt über weniger Medienkompetenz als der Rest. Das Bakom sagt nun nicht gerade, dass diese Leute dümmer sind als alle anderen, dafür ist es zu höflich. Aber es läuft darauf hinaus.

Das ist ein beliebtes Narrativ. Hier die gebildeten und von Natur aus klugen urbanen Leute, die der SP und den Grünen zugeneigt sind, dort die etwas eingeschränkten Leute vom Land, die sich von Kartoffelsalat mit Schüblig ernähren und die SVP wählen. Sagt man das lange genug, glaubt es auch jeder. Nebenbei: Solche Resultate sind nur möglich, wenn man einen akademischen Grad mit Intelligenz verwechselt und die Lebensweisheit einfacher Leute unterschätzt.

Aber wie steht es nun konkret mit der Medienkompetenz? Rechte sind also zu doof, um zu verstehen, was in einer Zeitung steht, während Linke stets den Durchblick bei den Schlagzeilen haben?

Wir wurden gerade in jüngerer Zeit eines Besseren belehrt. Wenn eine solche Pauschalisierung überhaupt angebracht ist, ist es nämlich exakt umgekehrt.

Trickreiche Medien

Medienkompetenz ist die Fähigkeit, Medien nicht einfach zu konsumieren, sondern die Inhalte reflektiert entgegenzunehmen, einschätzen und einordnen zu können. Das Bundesamt nimmt als Gradmesser dafür die Frage, ob Konsumenten merken, ob es sich bei einem Beitrag um einen redaktionellen Text oder bezahlte Werbung handelt. Das wurde getestet und daraus ein Resultat abgeleitet.

Die gestellte Aufgabe ist ganz allgemein ziemlich herausfordernd geworden, weil gerade Onlinemedien alles tun, um die wahre Absicht eines Beitrags zu verschleiern. Das beginnt bei den Begriffen: «Publireportage», «Paid Content», «Advertorial», «sponsored by», «presented by», «Ein Beitrag unseres Partners XY». Früher stand einfach «Anzeige» dort, heute muss man zuerst Englisch können und danach auch noch beurteilen, was der Absender des Begriffs damit genau meint.

Das gilt vor allem für den «Blick», der eigentlich nur noch nebenbei Medien produziert. In erster Linie verkauft er Tickets und Gadgets. Immer wieder präsentiert diese Zeitung als Ratgeber-Beitrag getarnte Texte, in deren Verlauf man dann die «Lösung» serviert bekommt – mit direktem Bestelllink. Oder ein unterhaltsamer Inhalt wird mit Konsummöglickeiten verknüpft.

Kürzlich berichtete das Blatt beispielsweise breit über die Welt von Barbie anlässlich des Films, der in die Kinos kam. Im Text konnte man dann gleich Barbie-Häuser und anderes Zubehör kaufen. Was ist das nun: Redaktionell oder PR? Oder ein bisschen von beidem?

Aber darüber hinaus muss man an dieser Stelle die Medienkompetenz des Bakom selbst hinterfragen. Dieses hat nämlich das eigentliche Problem nicht erkannt. «Advertorials» und Co. sind gar nicht der Stolperstein. Heute bedeutet wahre Medienkompetenz nichts anderes als: Bitte auch das nicht einfach glauben, wo eben gerade nicht «Anzeige» darüber steht.

Plumpe Kampagnen als «redaktionell» maskiert

Gerade in den letzten Jahren wurde uns haufenweise bezahlte Werbung präsentiert, die ganz offiziell als redaktioneller Inhalt durchging. Was waren denn die «Coronaticker», die Vorstellung der «schönsten Impfzentren im Kanton Zürich» oder eine diskreditierende Darstellung von Kritikern-Kundgebungen anderes? Damit wurden die Politik der Schweiz und die Impfkampagne aktiv unterstützt. Die Gegenleistung? Eine Flut von Inseraten aus dem Bundesamt für Gesundheit für Medien, die brav mitspielten. Corona war ein Geldsegen für die grossen Verlagshäuser – neben den staatlichen Unterstützungsbeiträgen natürlich.

Ein Beispiel: Wer vor rund drei Jahren eine Sekunde lang bei den entsprechenden Schlagzeilen geglaubt hat, die Covid-19-Impfung habe eine «Wirkung von 95 Prozent», der hat keine Medienkompetenz. Denn er hat unkritisch die Werbebotschaft der Hersteller geglaubt. Was bitte soll die Firma, die das Zeug herstellt, denn anderes behaupten? Wer das durchschaut, weiss, wie man mit einer Zeitung in der Hand umgeht. Da ist es sehr viel weniger schlimm, wenn man mal auf die Werbung eines Rasiererproduzenten klickt, weil man glaubt, es handle sich um wertvolle Information. Ich könnte beispielsweise gerade einen Rasierer brauchen.

Diesen Zusammenhang haben in erster Linie die «Rechten» erkannt. Sie waren es, die früh Fragen stellten zum Bombardement der Coronapolitik-freundlichen Berichterstattung der Medien. Womit sie weit mehr Medienkompetenz an den Tag gelegt haben als die andern. Und damit vielleicht ganz banal auch klüger waren als diese.

Die Bakom-Studie zeigt nur eines: Man kann eine Frage so stellen, dass das gewünschte Resultat herauskommt. Wäre es dem Bundesamt für Kommunikation wirklich darum gegangen, die Medienkompetenz im Land zu untersuchen (statt einfach die Rechten als Doofis hinzustellen), hätte es hingehen und die redaktionelle Berichterstattung rund um Corona und die Reaktion der Konsumenten darauf untersuchen müssen. Da zeigte sich, wer Wahrheit von einer Verkaufsabsicht unterscheiden kann. Stattdessen gibt es staatliche Kampagnen gegen «Fake News» – obschon der Staat deren fleissigster Verbreiter war.

Die Leute, die schon damals nicht einfach alles geglaubt haben, nur weil es «in der Zeitung stand», haben im Nachhinein nachweislich recht bekommen. Viel kompetenter geht gar nicht mehr. Aber laut dem Standard der Bundesverwaltung sind sie dümmer als alle anderen.

Kompetenz: Das ist beim Bund nur ein anderes Wort für blinden Gehorsam.