Premiere: Hier geht es um… Fussball!

Nun schreibt er auch noch über Sport, obwohl er damit leicht ersichtlich wirklich nichts am Hut hat? Keine Angst, hier geht es nur vordergründig um Fussball. Man darf auch weiterlesen, wenn man mit dem Gekicke nichts am Hut hat.

Frauenfussball ist das neue grosse Ding. Er begeistert die Massen, er holt qualitativ bis 2050 den klassischen Männerfussball locker ein, und Otto Meier aus Dagmersellen wird schon bald bereit sein, Pay-TV für 50 Stutz im Monat zu abonnieren, wenn er dafür die Chance bekommt, Frauen beim Kicken zuzuschauen.

Das in etwa ist die Botschaft, die uns seit Wochen um die Ohren geschlagen wird. Anlass ist die Fussball-Weltmeisterschaft der Frauen in Australien und Neuseeland. Die Medien drehen anlässlich dieses Events am Rad. Derzeit könnte Lionel Messi fünf Penaltys in Serie über die Latte knallen, die Zeitungen würden dennoch lieber über das Vorrunden-Aus der deutschen Frauen und den Einzug ins Achtelfinale der Schweizerinnen schreiben.

Weil das die Leser unbedingt wollen? Es ist gelinde gesagt zu bezweifeln.

Zwar bejubeln TV-Sender die hohen Zuschauerzahlen bei Schweizer Partien. «Das entscheidende dritte Gruppenspiel der Schweiz gegen Neuseeland haben bis zu 473’000 Zuschauerinnen und Zuschauer auf SRF zwei verfolgt», schreibt Watson. Das sei eine Einschaltquote von 75 Prozent.

Das klingt beeindruckend. Aber doch noch zur Klärung: Eine Einschaltquote nimmt nicht Bezug auf die gesamte Bevölkerung. Sie besagt, welcher Prozentsatz der Leute, die gerade irgendwas schauten, sich für die besagte Sendung entschieden haben. Das bewusste Spiel fand am Sonntagmorgen statt, den Zeitzonen sei Dank. Wer schaut zu dieser Zeit überhaupt irgendwas am TV?

Und ist es ein Wunder, dass viele bei der Partie Schweiz gegen Neuseeland reinzappten, nachdem die Zeitungen über Wochen verkündet hatten, wie elektrisierend Frauenfussball ist? Und dass es schon fast eine Bürgerpflicht ist, den Eidgenossinnen live die Daumen zu drücken?

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Interessant auch: Die Zuschauerzahlen der ersten beiden Gruppenspiele hält SRF laut dem «Blick» bis nach der WM unter Verschluss. Welchen guten Grund kann es für diese seltsame Massnahme geben? War damals die Propagandamaschine noch nicht heiss genug gelaufen? Wären die Zahlen allenfalls etwas ernüchternd?

Fussballkundige in meinem Umfeld sind überzeugt, dass man die männlichen Senioren des FC Au-Berneck guten Mutes und mit hohen Erfolgschancen ins Finalspiel der Frauen-WM schicken könnte. Es gibt nachweislich und selbst für den Laien sichtbar ein sportliches Gefälle zwischen Frauen und Männern beim Fussball. Athletisch, kräftemässig, taktisch.

Das ist auch völlig in Ordnung. Niemand würde den olympischen 100-Meter-Lauf der Frauen verbieten, nur weil die Männer schneller sprinten. Jeder soll so gut, wie er oder sie kann. Es gibt physiologische Unterschiede (auch wenn man uns das seit langem auszureden versucht). Die Art und Weise, wie man uns vorgaukeln will, das Leistungsniveau sei geschlechtsübergreifend identisch, ist peinlich.

Warum legen sich hier alle so ins Zeug? Die Wahrheit ist sehr banal. Derzeit gilt es als politisch korrekt, den Frauenfussball brillant zu finden. Alles andere wäre diskriminierend. Jede Wette, dass nicht einmal 1 Prozent der Bevölkerung zwei oder drei Namen aus der aktuellen Frauen-Fussballnationalmannschaft nennen könnte. Das Team hat nur einen Star: Alisha Lehmann. Ihr riesiges Publikum findet sie aber weniger auf dem Platz als in den sozialen Medien. Selbst wer ihren Namen kennt, weiss kaum, ob sie gut Fussball spielt oder nicht. Dafür wissen alle, wie sie die Haare trägt und wie sie sich in einem 15-Sekunden-Clip auf TikTok grazil den Ball zurecht legt.

War das nun gerade sexistisch? Nein. Einfach eine nüchterne Bestandesaufnahme. Frau Lehmann selbst weiss sehr genau, dass es ihre äussere Erscheinung ist, die für Klicks auf allen Kanälen sorgt. Und nicht ihr virtuoser Umgang mit dem Ball. Das mag unfair erscheinen, nur hat sie sich bewusst dafür entschieden, sich so zu inszenieren.

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In den sozialen Medien kursiert ein Zusammenschnitt einiger Szenen aus dem Frauenfussball, der belegen soll, wie hervorragend dieser ist. Lauter kurze Sequenzen mit eleganten, bravourös ausgeführten Spielzügen. Wie aussagekräftig ist diese Auswahl, was sagt sie aus über die allgemeine Qualität? Egal. So funktioniert Manipulation eben.

Eine deutsche Fussballlegende hat den Frauenfussball kürzlich mit einer veganen Wurst verglichen. Das ist nicht besonders charmant und sicher auch nicht korrekt. Frauenfussball ist keine künstliche Variante des Originals. Es ist derselbe Sport, ausgetragen vom anderen Geschlecht. Also vielleicht Bratwurst und Cervelat, wenn man schon bei Würsten bleiben will. Der eine mag das, der andere dieses. Beides hat seine Daseinsberechtigung.

Aber heute muss man nicht mal einen solchen etwas beleidigenden Vergleich äussern, um diskriminierend zu wirken. Es reicht, wenn man sich nicht dafür interessiert. Ist es Ihnen egal, dass die Frauen-WM stattfindet? Elender Chauvinist, alter weisser Mann! Keinen Sinn für Gleichberechtigung oder wie?

Dasselbe Schema läuft bei artverwandten Themen wie LGBTQ+, Gender und Co. Wer sich nicht mit Feuereifer für die Anliegen dieser Gruppen einsetzt und nachts unter einem Regenbogen-Duvet einschläft, ist bereits irgendwie verdächtig. Selbst wenn es ihm völlig egal ist, was diese Leute tun und er sich in keiner Weise dagegen engagiert. Heute ist man ein Rassist, wenn man sich nicht täglich auf Twitter explizit antirassistisch äusserst. Das Schweigen zum Thema gilt als Eingeständnis, zu den Bösen zu gehören. Das tut jeder bis zum Beweis des Gegenteils.

Ich gehöre zur vermutlich grossen Gruppe von Leuten, denen es völlig egal ist, wer mit wem ins Bett geht, wer wen heiratet, wer sich morgens trotz Bart einen Rock anzieht, welche Hautfarbe jemand hat und wer gerade Fussball spielt. Das geht mich alles schlicht nichts an. Jeder soll tun, was er möchte.

Aber dass ich diese für mich selbstverständliche persönliche Freiheit aktiv verteidigen muss, indem ich pausenlos verkünde, wie grossartig ich das alles finde, um nicht in Verdacht zu geraten, ein intoleranter Widerling zu sein: Das ist neu. Und nicht besonders prickelnd.

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