Lena Meyer-Landrut fürchtet sich

Soll man sich über Leute lustig machen, die die staatlich aufgebaute Paranoia zum eigenen Lebensentwurf gemacht haben? Irgendwie natürlich nicht. Aber andererseits stellt sich auch die Frage, ob man denn inzwischen wirklich für alles Verständnis haben muss.

Ab Juni wäre Lena Meyer-Landrut, die einst von Stefan Raab entdeckte und geförderte deutsche Sängerin, auf grosser Tour gewesen. Diese hat sie nun abgeblasen. Grund: Sie fühle sich dabei nicht wohl und wolle die grosse Verantwortung nicht übernehmen. Denn bei Konzerten treffen sich natürlich viele Menschen zur gleichen Zeit zwischen vier Wänden. Nachlesen kann man das unter anderem hier.

Der Musikerin ist es offenbar ernst damit, es ist kein Marketingtrick, um ein bisschen Aufmerksamkeit zu garnieren. Ihre Tourabsage sei unter Tränen erfolgt, heisst es in den Medienberichten. Die Frau hat also wirklich Angst. Ob um sich selbst oder um die Gesundheit ihrer Fans oder beides, das wird nicht ganz klar. Sie lässt sich wie folgt zitieren:

«Ich möchte mit euch zusammen Konzerte erleben, wenn wir alle sorgenfreier sind und uns in den Armen liegen und feiern können. Gemeinsam eine unbeschwerte Zeit haben dürfen.»

Der grosse Unterschied zu früher, also zur Zeit vor 2020: Damals hätte man eine solche Ansage als persönlichen Spleen einer überforderten Künstlerin abgetan. Und man hätte ihr allenfalls auch freundschaftlich dazu geraten, sich fachliche Hilfe zu holen. Wer im April 2022 angesichts der aktuellen Lage Angst davor hat, im Juni 2022 Konzerte mit Publikum zu veranstalten, hat ein gröberes Problem. Dieses ist natürlich auch das Ergebnis der zwei Jahre andauernden Panikmache und Übertreibungen, aber man muss auch als Person erst mal so konditioniert sein, dass man ernsthaft sogar noch über die allgemeine Hysterie hinaus geht und Angst davor hat, in Zeiten totaler Entspannung eine Sommertour durchzuführen.

Aber eben, diese Fragen hätte man sich früher gestellt. Heute hingegen brandet der Dame viel Verständnis von der Öffentlichkeit entgegen. Der eigenen Karriere temporär zu entsagen, um die Gesundheit der Allgemeinheit zu schützen: Das gilt als selbstlos und verantwortungsvoll. Ernsthaft. Es gibt Leute, diese diese Entscheidung beklatschen. Im Sinn von: Endlich mal jemand, der das alles nicht auf die leichte Schulter nimmt!

Persönlich bin ich nicht betroffen von einer Tourabsage von Lena Meyer-Landrut, ich hatte nicht vor, ein Konzert zu besuchen. Aber Leute wie sie tragen natürlich dazu bei, dass die gesellschaftlich verankerte Paranoia weiter zementiert wird. Es muss doch irgendwie noch gefährlich sein, wenn sie auf keine Bühne will, nicht wahr? Vielleicht sollten wir also doch vorsichtshalber wieder die Maske flächendeckend implementieren, den einen oder anderen Lockdown inszenieren und das gute alte Zertifikat aus der Mottenkiste holen?

Ich habe wirklich nichts gegen die Dame. Sie wirkt auf mich sogar sympathisch, und wenn ich könnte, würde ich ihr gerne helfen. Nur: Womit denn bitte? Mit Fakten? Mit Zahlen? Aussichtslos. Sie ist gefangen in einer Spirale der Angst, und das ohne Ablaufdatum. Wann soll sie bitte ihre Sommertour nachholen? Im Herbst vielleicht, wenn vermutlich die vereinigten Regierungen der Welt die erwähnte Spirale wieder offiziell anschieben?

Stattdessen schreibt sie nun eben neue Songs. Die kann man danach gefahrlos verbreiten. Im schlimmsten Fall holt man sich dabei einen Computervirus. Aber wenigstens nicht dieses supertödliche Ding.