Ein «Freiheitstag» sollte es werden. Inzwischen ist die Rede vom «Freudentag». Wenn der Bundesrat bald beschliessen sollte, die Massnahmen weitgehend einzustellen, will er die Schweiz zur Festbude erklären. Das ist der Gipfel der Absurdität. Es ist, als würde man einen Häftling nach zu Unrecht verbüsster Strafe dazu zwingen, nun gefälligst zu jubeln.
Die Standleitung zwischen dem Bundeshaus und dem Verlag Ringier an der Dufourstrasse funktioniert weiterhin einwandfrei. Der «Blick» vermeldet, dass der Bundesrat am 16. Februar mehr oder weniger alle Coronaschutzmassnahmen beenden will. Es bleibe wohl noch die Maske im ÖV und in Innenräumen. Das ist konsequent. Das, was sowieso noch weniger gebracht hat als der ganze Rest, kann man als Erinnerung an zwei verlorene Jahre ja auch noch ein bisschen erhalten.
Und dann soll die Schweiz feiern. Einen «Freudentag» begehen. Wir haben den Virus besiegt, wir kehren zur Normalität zurück! Wir haben es besser als alle anderen gemacht! Wir haben die Wirtschaft nicht zu 100 Prozent ruiniert, wir haben nicht 100 Prozent der Kinder und Jugendlichen in die Psychiatrie getrieben, wir haben die Gesellschaft nicht zu 100 Prozent gespaltet! Sondern eben einfach genau so sehr wie unbedingt nötig. Und wenn das zu Ende ist, soll man feiern.
Es ist wirklich, als würde man von dem Mann, der gerade nach 20 Jahren zu Unrecht verbüsster Haftstrasse aus dem Gefängnis entlassen wurde, verlangen, er soll sich nun ein paar Papierschlangen schnappen und einen auf Party machen. Aber bitte zusammen mit dem Richter, der das falsche Urteil gefällt hat.
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Es gibt nichts zu feiern. Wenn die (meisten) Massnahmen tatsächlich ein Ende finden, tun sie das viel zu spät. In der Zwischenzeit hat sich viel verbrannte Erde angesammelt. Man bejubelt doch nicht ernsthaft zwei Jahre von sich aneinander reihenden Fehlbeurteilungen und Fehlentscheiden, nur weil man gemerkt hat, dass man diese nun wirklich beim besten Willen nicht mehr am Leben erhalten kann, weil die Fakten zu offensichtlich sind?
Wir haben Lockdowns hinter uns, die es nicht gebraucht hätte und die nichts gebracht haben. Wir haben Existenzen in den Ruin oder an die Grenze dessen gebracht. Wir haben Menschen in zwei Klassen unterteilt ohne jede Not (und ohne jede Rechtsgrundlage). Wir haben die gesamte Gesellschaft Massnahmen unterzogen im Kampf gegen ein Virus, das bestimmte Risikogruppen betrifft. Wir haben uns – auch wenn weniger heftig als bei den direkten Nachbarn – in die totale Unverhältnismässigkeit begeben. Und wenn diese ein Ende hat, sollen wir so dankbar sein, dass wir das Feuerwerk aus dem Keller holen? Ernsthaft?
Was genau soll denn gefeiert werden? Dass Menschen, die das Recht auf den eigenen Körper wahrgenommen haben, das nun auch staatlich abgesegnet wieder tun dürfen? Dass wir Kinder nicht mehr länger in Masken zwingen und in Töpfe spucken lassen? Dass Leute wieder ihrem Beruf nachgehen und als Unternehmer ein Auskommen finden, das der Staat zuvor abgewürgt hat?
Das alles könnte man nach einer echten Notlage feiern. Wenn die Umstände nichts anderes zugelassen hätten als das oben Beschriebene. Aber das war ja nie der Fall. Nun versucht man es so zu drehen, als wäre alles, was getan wurde, unbedingt nötig gewesen, und nun sei die Gefahr überwunden, lasst uns die Korken knallen lassen. Dabei ist nur eines geschehen: Das Narrativ, das seit zwei Jahren jedem klar denkenden Menschen als nicht zutreffend aufgefallen ist, lässt sich nicht mehr länger am Leben erhalten, es bleibt der Macht nichts anderes als der Rückzug. Und dafür sollen wir nun ein Freudenfest abhalten?
Ich habe darauf verzichtet, mir ein Zertifikat zu ergattern. Ohne zu wissen, wie lange dieses Ding, das auf den Müllhaufen der Geschichte gehört, relevant sein wird. Gut möglich, dass es sehr bald ohne geht. Muss ich das nun feiern? Die Tatsache, dass ich – zusammen mit sehr, sehr viel anderen Leuten – dem Druck standgehalten habe, mag ein Grund zum Feiern sein, aber ganz bestimmt nicht an der Seite der Personen, die die Zertifikatspflicht verbrochen haben. Wenn schon, dann feiern wir Zertifikatslose unter uns. Der Grund zum Jubel ist höchstens der, dass ich ohne die inzwischen völlig nutzlos gewordene Impfung und ohne Genesung (der Virus will mich nicht) durch die Zeit gekommen bin.
Was bejubeln eigentlich die dreifach Geimpften Mitte Februar, falls es dann soweit sein sollte? Dass sie getan haben, was von ihnen verlangt wurde und das alles nun völlig nutzlos ist? Wer genau soll in Festlaune sein, wenn die Massnahmen fallen? Mir fällt niemand ein.
Vermutlich erwartet man von uns, dass wir nicht nur in Festlaune sind, sondern uns auch dankbar zeigen. Dankbar gegenüber dem umsichtigen Bundesrat, der uns die Fesseln früher abnimmt als geplant. Ich hatte lange genug eng mit Politikern und Behörden zu tun, um zu wissen, wie die Idee dahinter aussieht. Es wurde eine groteske Ziellinie definiert – Verlängerung der Massnahmen bis Ende März –, um diese danach verkürzen zu können und wie ein Befreier auszusehen. Als man von Ende März sprach, wusste man längst, dass man das nicht ernsthaft machen kann. Nun können sich die Entscheidungsträger auf die Schultern klopfen: Sechs Wochen früher als angekündigt kehren wir in die Freiheit zurück? Dass die Verlängerung der Massnahmen im Januar bereits ein schlechter Witz war: Wen kümmerts?
Wir sind längst zu einer Horde von obrigkeitsgläubigen Befehlsempfängern verkommen, die nach einem Goodie lechzen und brav mit dem Schwanz wedeln, wenn wir es erhalten. Abseits der Minderheit der Aufrechten wird der Plan aufgehen – eine Mehrheit wird in der Tat so etwas wie Dankbarkeit empfinden.
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Wir haben das Pflegepersonal beklatscht, statt die Pflegekapazitäten hochzufahren. Wir werden den Bundesrat beklatschen, wenn die Massnahmen verschwinden, statt zu fragen, warum es sie in dieser Dimension jemals gegeben hat. Parallel dazu werden vermutlich bereits die Geschichtsbücher für die Schule angepasst, wo dann zu lesen ist, wie die solidarische Gemeinschaft der Eidgenossenschaft durch eine zweijährige Krise gekommen ist, um dann deren Ende Arm in Arm zu feiern. Vermutlich glauben das nachfolgende Generationen sogar.
Wir vergessen alle sehr schnell. Selbst das alles hier. Ich habe nicht die Hoffnung, dass es wirklich ein Nachspiel haben wird. Wenn es «vorbei» ist, selbst wenn die Kollateralschäden noch lange anhalten, will eine Mehrheit mit dem Thema nichts mehr zu tun haben. Es wird diese zwei Jahre abstreifen wie eine lästige Klette, die sich am Mantel festgesetzt hat und dann einfach weitermachen.