Das grösste Coronaopfer ist ein Begriff

Nein, natürlich nicht das grösste, aber ein wesentliches. Ich spreche (einmal mehr) vom Begriff «Solidarität». Der wurde verdreht, ausgenutzt, ausgelutscht und in der Mülltonne der Geschichte entsorgt. Was heute unter Solidarität läuft, hat mit der ursprünglichen Bedeutung nichts mehr zu tun.

Meine Kinder sind 13 und 10. Sie haben gottlob schon vor Corona mitgekriegt, was unter Solidarität zu verstehen ist. Bei kleineren Kindern wirds schwierig. Für die heisst das Wort für alle Ewigkeiten vermutlich in etwa das hier:

«Solidarität bedeutet, dass man alles tut, was der Staat sagt, damit man etwas zurückbekommt, was einem dieser Staat zuvor weggenommen hat.»

Wunderbar. Vielleicht sollte das gleich so in den Duden?

Der hemmungslose Missbrauch eines einst wertvollen Begriffs war übrigens sehr erfolgreich. Das sieht man, wenn man die Leserkommentare von Onlinemedien durchpflügt. Da wimmelt es von Menschen, die sich solidarisch verhalten haben und nun von anderen dieselbe Solidarität einfordern.

Nun verhält man sich ja meist solidarisch, um gemeinsam ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Zum Beispiel setzt man sich als Gesellschaft zusammen dafür ein, das Gesundheitswesen nicht übermässig zu belasten und andere nicht zu schädigen. Vielleicht gab es irgendwo in den letzten zwei Jahren mal eine kurze Phase, in der man mit gutem Treu und Glauben davon ausgehen konnte, das sei zu erreichen mit Schutzmassnahmen und Impfung. Das muss aber schon eine ganze Weile her sein. Wir wissen, dass das nicht klappt. Beziehungsweise nicht nötig ist.

Ein zweiter Aspekt der Solidarität: Sie ist halbwegs das exakte Gegenteil von Egoismus. Wer solidarisch handelt, denkt nicht zuerst an sich, sondern an die andern, an das grosse G…