Sie und ihr Mann treffen nur noch geimpfte Menschen, lässt die Bühnenkünstlerin Hazel Brugger verlauten. Das ist ihr gutes Recht. Man darf auch Rothaarige, besonders Intelligente oder Hundebesitzer aus dem eigenen Leben entfernen. Man darf fast alles. Es lässt eben einfach sehr tief blicken.
«Thomas und ich werden bis Jahresende niemanden mehr privat treffen und/oder mit keinem kollaborieren, der/die nicht geimpft ist. Es geht einfach nicht mehr»: So die Botschaft von Hazel Brugger auf Instagram. Ausserdem bemühe sie sich schnellstmöglich um den Booster, denn: «Safety first.»
Safety first: Gutes Motto. Ich schnalle mich an im Auto, ich steige nicht mit dem Haarföhn in die Badewanne, und ich klettere selten ohne Sicherung auf die Spitze des Eiffelturms. Es gibt Dinge, die machen Sinn. Und wenn ich nicht gerade 4 Promille im Blut habe, halte ich sie auch ein. Das mit dem Eiffelturm wäre mir sowieso zu anstrengend.
Dann gibt es andere Dinge, auf die ich nie verzichten würde, nur um «safe» zu sein. Ganz einfach, weil Nutzen und Ertrag eines Verzichts in keinem Verhältnis stehen. Ich grenze beispielsweise – und es ist natürlich ein total willkürliches Beispiel – nicht einfach andere Menschen aufgrund ihrer freien Entscheidung aus meinem Leben aus, nur um mir ein Virus zu ersparen, das mich zu über 99 Prozent Wahrscheinlichkeit ziemlich unbehelligt lässt in meiner Gesundheit. Vor allem dann nicht, wenn auch die anderen Leute, die ich gnädigerweise noch in mein Leben lasse, das Virus übertragen können.
Würde ich es anders halten, wäre das nicht mehr «Safety first», sondern nackte Paranoia.
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Natürlich unterstelle ich Frau Brugger keine Paranoia. Was sie tut, macht aber eben einfach keinen Sinn. Wenn sie sich so furchtbar vor Corona fürchtet, müsste sie ihr Umfeld wenn überhaupt auf Getestete einschränken. Die garantiert keine Virenträger sind. Bei Geimpften kann sie das leider nicht so genau wissen. Und sie müsste wissen, dass sie es nicht wissen kann. Die Informationen sind ja alle da, die sie braucht. Sie will sie offenbar nicht so genau kennen. Sie möchte lieber Sprachrohr für eine Kampagne spielen. Irgendwie logisch, die Leute, die die Kampagne orchestrieren und weiter verbreiten, sind ja die Leute, die sie füttern. Das Fernsehen, die öffentliche Hand mit irgendwelchen Kulturpreisen. Ich verstehe das, wirklich. Ich esse auch gern gut. Und das kostet. Brugger war ja schon als Maskenbotschafterin aktiv. Es passt irgendwie.
Aber vielleicht tue ich ihr ja auch Unrecht und sie hat wirklich Angst. Sie glaubt vielleicht wirklich daran, akut an Leib und Leben bedroht zu sein. Und sie glaubt wirklich, dass sie geschützt ist, wenn sie ihren persönlichen Umgang auf Geimpfte dezimiert. Dann tut mir das natürlich sehr leid. Es muss schrecklich sein, hinter jedem Menschen, der keinen QR-Code auf dem Smartphone hat, eine Gefahr zu vermuten. Eine sehr lebens- und lustfeindliche Haltung.
Ich versuche, mir diesen Stress im Alltag vorzustellen. Und wie handhabt sie das eigentlich genau? Nehmen wir an, sie hat eine Vorstellung, und Leute wollen danach mit ihr sprechen, vielleicht sogar ein Autogramm haben. Klar, die sind alle 3G im Publikum, aber vielleicht hat es darunter ja auch, zu Hilfe!, solche, die nur genesen oder getestet sind? Fragt Hazel Brugger die Leute dann nach dem Impfstatus? Fordert sie einen Beleg und schickt die Fans, die nicht geimpft sind, lautstark weg, nachdem sie sich zuvor mit einem doppelten Rückwärtssalto in Sicherheit gebracht hat? Denn: Safety first!
Oder im privaten Rahmen. Lasst uns einen lustigen Abend mit Freunden machen, aber auf der Einladungskarte steht: «Nur für Geimpfte». Der Gedanke wirkt für den Bruchteil einer Sekunde lustig, bevor er zur Tragödie wird. Aber es ist ja nicht nur die gute Hazel. Die ganze Welt verschickt aktuell solche Einladungskarten. Als wenn es völlig normal wäre.
Irgendwie traurig. Nicht für die Leute, die Madame Brugger nun nicht mehr empfängt, sondern für sie selbst. Sie ist eine Gefangene ihrer eigenen Panik. Die den ganzen Tag nur noch über die Schulter schaut, ob sie von einem umgeimpften Zombie verfolgt wird, der sie vielleicht sogar anfassen möchte. Und kurz darauf liegt sie – nach einer Echtzeitansteckung – röchelnd auf dem Asphalt. Spitalpflege hat sie auch nicht zu erwarten, denn unsere Spitäler sind ja bekanntlich hoffnungslos überbelegt.
Ich nehme an, sie glaubt auch das. Natürlich glaubt sie auch das. Sie glaubt alles.
Ausser den vielen Zweifeln an dem, was sie glaubt. Denen glaubt sie nicht. Denn wo kämen wir denn da hin, wenn man nicht mehr glauben kann, was in der Zeitung steht? Und wenn man nicht mal mehr einfach überlesen dürfte, was mittlerweile auch in der Zeitung steht und das ziemlich deutlich zeigt, dass es albern ist, nur noch Geimpfte zu treffen? Weil das in keiner Weise eine Garantie ist?
Hazel Brugger will nicht zweifeln. Sie will verzweifelt weiter glauben, was sie aufgeschnappt hat. Der beste Weg dorthin ist die hemmlungslose Offensive. Die hat sie angetreten. Mit einer überaus menschenverachtenden Botschaft.
Aber vielleicht will Hazel Brugger ja auch einfach einen ruhigen Jahresausklang. Vielleicht mag sie gar keine Leute treffen. Vielleicht will sie ihren verrückten Cousin oder eine lästige Tante, beide ungeimpft, von der Weihnachtsfeier aussperren auf eine elegante Art.
Das wiederum würde mich schon fast wieder beeindrucken.