Zigeuner! (Und schon sind meine Fördergelder weg)

Die Welt spinnt. Aber das ist gar nicht das Problem. Viel schlimmer ist, dass sie ganz offensichtlich spinnt und es fast keinen kümmert. Hier kommt er: Der Fall von Alain Claude Sulzer und seinem «Zigeuner».

Alain Claude Sulzer ist ein Schweizer Schriftsteller. In aller Offenheit: Ich kenne den Namen, habe aber noch nie ein Buch von ihm gelesen. Vielleicht habe ich etwas verpasst, vielleicht auch nicht, und es spielt keine Rolle. Entscheidend ist: Sulzer ist in die Mühlen der Literaturförderungsmaschinerie geraten, weil er in seinem neuen Roman das Wort «Zigeuner» verwendet hat.

Bevor sein jüngstes Werk in die Auswahl für mögliche Fördergelder beider Basel gekommen wäre, hätte Sulzer dem «Fachausschuss Literatur» begründen müssen, warum er dieses böse Wort verwendet hat. Der Autor verzichtete und nahm sich selbst aus dem Rennen. Es war ihm wohl einfach zu blöd, vor dieser Truppe anzutanzen und das Selbstverständliche zu erklären.

Denn die Geschichte, die Sulzer in dem Roman erzählt, ist in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts angesiedelt, und damals nannte man Zigeuner einfach Zigeuner. Alles andere wäre nicht authentisch gewesen. Aber selbst wenn die Story im Hier und Jetzt spielen würde, dürfte das Wort auftauchen. Dann beispielsweise, wenn es ein Protagonist ausspricht, der ganz einfach «Zigeuner» sagen will und nichts anderes. Es soll solche Leute geben. Und es darf in einem Buch auch solche Leute geben.

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Denn wir sprechen hier von Literatur, liebe Leute. Von Fiktion. In einem Buch darf man auch Menschen umbringen, obwohl das im realen Leben verboten ist. Man kann sogar die Erde durch den Beschuss von Ausserirdischen in einen glühenden Feuerball verwandeln, obwohl auch das nicht unbedingt erwünscht ist in der Wirklichkeit. Man darf seine Figuren sagen und tun lassen, was man will, egal wie illegal oder unmoralisch oder verpönt es sein mag. Echt wahr!

Dass man das einem «Fachausschuss Literatur» erklären muss, macht Angst. Im Unterschied zu Alain Claude Sulzer wäre ich aber vermutlich wirklich vor diesen «Experten» erschienen. Nicht, weil ich das Gefühl gehabt hätte, mich erklären zu müssen. Sondern weil ich direkt vor Ort hätte sehen wollen, ob solche Exemplare wirklich existieren. Leute, die es für problematisch halten, wenn in einem Roman das Wort «Zigeuner» vorkommt, obwohl es im Kontext schlicht und einfach dorthin gehört.

Was kommt als Nächstes? Ein historischer Roman aus dem 19. Jahrhundert, in dem Frauen Banken führen und Eisenbahnstrecken planen, während der Mann zuhause die Kinder versorgt und die Wäsche macht? Weil das zwar weder authentisch noch realistisch ist, aber politisch eben einfach erwünscht? Was wollen diese Gesellen eigentlich ausser unserer aktuellen Zeit noch alles nach ihren Wünschen hinbiegen? Die ganze Vergangenheit? Den ganzen Kultur- und Literaturbetrieb, der sich mit dieser Vergangenheit auseinandersetzt?

Dieser ganze Irrsinn muss aufhören. Aber die Wahrheit ist: Er geschieht direkt vor unseren Augen, und kaum jemand rührt sich aktiv dagegen.

Übrigens lautet der politisch korrekte Begriff für Zigeuner «Rotationseuropäer». Ernsthaft. Das habe ich nicht erfunden, auch wenn man es kaum glauben mag. Rotationseuropäer: Mehr muss man über die Lage unserer Welt wirklich nicht wissen.

PS: Im August erscheint mein neuer Roman «Fast Food für Afrika». Das Wort «Zigeuner» kommt darin nicht vor (voraussichtlich, ich denke gerade darüber nach, ihn reinzuschmuggeln). Aber dafür mit Garantie eine ganze Wagenladung voll von anderen Ereignissen und Ausdrücken, bei deren Lektüre der «Fachausschuss Literatur beider Basel» auf der Stelle tot umkippen würde. Ein tiefschwarzer Roman, der sich nicht die Bohne darum schert, was man «darf». Völlig ohne Fördergelder. Vorbestellmöglichkeiten folgen bald.

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