Den Hofnarren gehört die Zukunft

Viele Leute sind unzufrieden damit, wie im Bundeshaus gearbeitet wird. Ruft man sie dann zu den Wahlurnen, bestätigen sie aber die dafür Verantwortlichen ohne jeden weiteren Gedanken. Warum? Und wie lässt sich das verändern?

«Die da oben machen sowieso, was sie wollen.» Der Stammtischspruch ist so alt wie der Jassteppich. Erstaunlicherweise führt er aber bei denen, die das sagen, nur selten zu einem Umdenken. Die politische Landschaft der Schweiz kennt keine grösseren Verwerfungen. Bei uns gilt es schon als mittleres Erdbeben, wenn bei Wahlen Partei X zwei oder drei Sitze an Partei Y abgeben muss und Partei Z ein bisschen besser abschneidet, als Umfragen es prognostiziert haben.

Einer der Ursprünge dieses Phänomens liegt darin, dass viele von uns die politische Ochsentour als Voraussetzung für höhere Weihen sehen. Wer nicht mit 25 in irgendeiner Geschäftsprüfungskommission, mit 35 in einem Gemeinderat und mit 45 im Kantonsparlament sass, sollte bitte auch nicht in die Bundesversammlung vorstossen. Kein Wunder, dass dort vor allem Leute landen, die ihre ganze Laufbahn auf dieses Ziel ausgerichtet haben und es tunlichst vermeiden, wirklich handfeste Veränderungen anzustossen oder wenigstens mal ein klares Wort auszusprechen. Viele von ihnen sind abgeschliffen wie ein Kiesel, der seit Jahrzehnten in einer Seebucht liegt.

Marco Rima will im Kanton Zug Ständerat werden. Nicolas Rimoldi würde in Zürich gerne Nationalrat, Daniel Stricker denkt im Thurgau darüber nach, und ich kandidiere bekanntlich auch. Was uns – bei allen Unterschieden, die es auch gibt – eint: Wir gelten als Exoten, weil wir nicht die Wasserträgerkarriere bei einer traditionellen Partei absolviert haben.

Aber was möchten wir denn gerne im Parlament haben? Welche Anforderungen stellen wir an sogenannte «Volksvertreter»? Ist ein Sitz in der Bundesversammlung einfach der Lohn für jahrzehntelanges Buckeln unter einem Parteibuch?

Seit ich politisch denken kann, laborieren wir mehr oder weniger an denselben Problemen herum. AHV, Krankenkassenprämien, Beziehung zur EU, Steuern und so weiter und so fort. Vielleicht darf es ja in all diesen Fragen keine neue, überraschende, allenfalls nachhaltige Lösungen geben, weil sonst der Diskussionsstoff für die «Arena» fehlt. Anders lässt es sich nicht erklären, dass nach wie vor mehrheitlich Leute gewählt werden, die in ideologischer Verhärtung wichtige Fragen lieber aussitzen als angehen.

Danke für Ihre Unterstützung.

Vermutlich müsste das System komplett umgekrempelt werden. Ich spreche schon lange der Idee das Wort, National- und Ständeräte einmalig für eine längere Amtsperiode von beispielsweise sechs bis acht Jahren zu wählen. Das hätte den einmaligen Vorteil, dass Wahlsieger nicht Sekunden nach Bekanntgabe des Resultats darüber nachdenken, wie sie möglichst stromlinienförmig durch die erste Legislatur kommen, um dann sicher für eine zweite gewählt zu werden. Die Mutlosigkeit unserer Parlamentarier ist im Modus verankert. Wer unter dem Radar fliegt, landet sicher.

Aber derzeit müssen wir mit dem System arbeiten, das wir haben. Was wir tun können: Mut- und Tatenlosigkeit nicht auch noch an der Wahlurne belohnen. Wir brauchen mehr Hofnarren, die unseren Königen lustvoll den Spiegel vorhalten. Wir brauchen Leute, die das Rednerpult im Parlamentssaal nicht einfach dazu nutzen, Fraktionserklärungen vom Blatt abzulesen. Wir brauchen Klartext. Frechen, lustvollen, provozierenden Klartext. Wir brauchen Leute, die Volkes Stimme in den Saal tragen. Und keinen Elfenbeinturm, in dem alle unter ihresgleichen bleiben und nicht mal mehr mitkriegen, was die Menschen auf der Strasse denken und fühlen.

Wer die Politverdrossenheit der heranwachsenden Generation beklagt, sollte sich bei Gelegenheit überlegen, wie sehr er selbst elektrisiert wäre von Parlamenten, die mehrheitlich aus ergrauten, müden Herren bestehen, die überbezahlt damit beschäftigt sind, die Probleme an die Nächsten weiterzuschieben, während sie lustlos vorgefertigte Ideologien nachbeten.

Jemandem wie Marco Rima wird ohne Frage von den Medien in den nächsten Monaten um die Ohren gehauen, dass er über keine politische Erfahrung verfügt und damit nicht in den Ständerat gehört. Unter «Erfahrung» verstehen die Journalisten und andere Politbeobachter aber etwas ganz anderes: Angepasstheit, strategische Spielchen statt Lösungssuche, totgeschlagene Zeit in Kommissionen. Das hat bisher nichts gebracht, und es wird weiter nichts bringen.

Zeit für neue Ufer.