Nullnummer Ständerat

Ist es nicht schön, wenn sich 46 Menschen völlig harmonisch einig sind? Vielleicht in einem Kegelclub, ja. Aber nicht in einer Parlamentskammer. Der Ständerat macht sich allmählich überflüssig.

Die Initiative «Stopp Impfpflicht» wird vom Parlament nicht zur Annahme empfohlen, auf einen Gegenvorschlag wird verzichtet. Die Entscheidung im Nationalrat und im Ständerat ist im Ergebnis nicht weiter überraschend. Die Details hingegen sind es.

Denn der Ständerat hat die Ablehnung «oppositionslos» verabschiedet, wie Medien berichten. Was bedeutet: Kein einziger Ständerat stellte sich hinter das Begehren.

Wer das liest, muss zum Schluss kommen, dass es um eine völlig abseitige oder unrealistische Vorlage ging. Anders ist es kaum zu erklären, dass links bis rechts sie als untauglich einstuften.

Was will denn «Stopp Impfpflicht» konkret? In der Tat etwas Ungeheuerliches: In der Verfassung soll festgeschrieben werden, dass Eingriffe in die körperliche oder geistige Unversehrtheit einer Person deren Zustimmung bedürfen. Wer sich dagegen wehrt, darf nicht bestraft werden oder andere Nachteile erfahren, beispielsweise beruflicher oder sozialer Art.

Klingt irgendwie doch, nun ja: Hart an der Grenze zur Selbstverständlichkeit.

Wie begründet die Bundesversammlung die kalte Schulter?

Erstens sagt sie, dass die Forderung «weit über die Frage des Impfens hinaus» gehe. Ja, klar. Das ist auch gut so. Dass eine Initiative in der knackigen Sloganform nur einen Ausschnitt des Inhalts wiedergibt, ist normal. Aber natürlich betrifft die körperliche oder geistige Unversehrtheit nicht nur die Impffrage. Hoffentlich auch. In den letzten drei Jahren gab es Bürger, die auch bereit gewesen wären, ein flächendeckendes Arm-Abhacken zu propagieren, wenn Herr Berset es als sinnvoll verkündet hätte.

Zweitens würde eine «Rechtsunsicherheit» entstehen, beispielsweise in den Bezug auf den Strafvollzug. Was will man damit sagen? Dass man Verbrecher nicht mehr einsperren dürfte, wenn die Verfassung die Unversehrtheit der körperlichen und geistigen Unversehrtheit verlangt? Wenn das so wäre, brächten Juristen sicher ihre Mandanten auch mit dem Verweis der in der Verfassung garantierten Menschenwürde aus dem Knast. Das ist ein absurder Vorwand.

Drittens sei die Initiative unnötig, denn schon heute dürfe niemand gegen seinen Willen geimpft werden. Mal wieder genau mein Humor. Zum einen wurde auch in der Schweiz durchaus eifrig über eine Impfpflicht debattiert, es gab zahlreiche Anhänger der Idee. Bezüglich bestimmten Berufsgruppen wie der Pflege war es konkreter bis hin zur gelebten Realität. Und zum anderen waren die Nachteile beruflicher und sozialer Art, welche die Initiative verbieten will, Tatsache in der Schweiz. Damit ist die Vorlage mehr als nötig.

Das Ergebnis gerade im Ständerat zeigt, dass man verlassen ist, wenn man sich auf die Altparteien verlässt. Das betrifft auch die wenigen Hoffnungsträger.

Danke für Ihre freiwillige Unterstützung.

Die Ständeratsdelegation der SVP, die phasenweise so etwas wie einen Anflug von Widerstand gegen die Coronapolitik aufblitzen liess, besteht aus acht Personen, sieben gehören zur SVP, dazu kommt ein parteiunabhängiges Mitglied. Was hat das Trüppchen getrieben während der Abstimmung? Kollektiv an einem «Buurezmorge» teilgenommen? Oder waren sie da und haben bewusst darauf verzichtet, sich für körperliche und geistige Unversehrtheit stark zu machen?

Die FDP kann man seit langer Zeit in der Pfeife rauchen. Begriffe wie liberal, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung finden sich nur noch auf ihren Wahlplakaten, ansonsten wurden diese eingemottet.

Die Mitte, einstmals CVP, erzählt uns derzeit in der Wahlwerbung, sie sei die Kraft, die sich gegen die Spaltung der Gesellschaft einsetze. Das ist schön und auch sehr nötig, denn Mitte-Politiker gehörten in den letzten Jahren zu den Treibern dieser Spaltung. Wer etwas kaputt macht, soll es gefälligst auch wieder flicken. Nur dass die Mitte das natürlich nicht wirklich vor hat.

SP und Grüne beschwören permanent, dass alle Menschen gleich seien und gleich behandelt werden müssten. Das betrifft aber exklusiv Frauen und Wesen, die am Morgen noch kurz darüber nachdenken müssen, was sie heute sein wollen. Auch das Recht auf den eigenen Körper beschränkt sich auf schwangere Frauen, pardon, Personen mit Gebärmutter. Alle anderen müssen leider auf ihre persönliche Unversehrtheit verzichten.

Was auch immer uns die traditionellen Parteien versprechen: Es ist Makulatur. Liegt eine Vorlage auf dem Tisch, die nichts anderes als eine Selbstverständlichkeit fordert, verschanzen sie sich hinter Formalismus. Sie wollen die Rechte der Bürger nicht konsequent beschützen, weil sie genau wissen: Früher oder später haben sie Lust, diese wieder zu brechen.

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