Pandemie, Krieg, gesellschaftliche Spaltung, was auch immer gerade grassiert, eines bleibt stets: Der Wunsch des Einzelnen nach Reichtum. Deshalb – und für den Nervenkitzel – spielen wir Lotto. Nun die gute Nachricht: Der «Blick» verrät, wie man EuroMillions-Gewinner wird.
Seien wir mal grosszügig und gehen darüber hinweg, dass der aktuelle Beitrag – hier zu finden – mit einem redaktionellen Inhalt so viel zu tun hat wie der Papst mit der Formel 1. Vor allem, da er noch mit einem Videoclip von Swisslos garniert ist. Es sieht schwer nach einer bezahlten Leistung aus. Aber der «Blick» muss ja auch leben, und wenn er uns auf diese Weise zu Millionären macht – was soll’s?
Im Beitrag wird uns erklärt, wie wir einen solchen Schein ausfüllen, wann wir ihn spätestens abgeben müssen und so weiter. Schön und gut, dieser formale Kram, aber was uns natürlich viel mehr interessiert: Wie finden wir die Gewinnzahlen der nächsten Ziehung?
Ganz so konkret will uns die Zeitung das zwar nicht versprechen. Aber immerhin leistet sie Orientierungshilfe, und zwar hier

Aha. Darauf muss ich also achten. Also, Moment, aber wie jetzt genau? Muss ich diese Zahlen wählen, weil sie am häufigsten gezogen werden? Oder muss ich sie meiden, weil sie gerade deshalb nun garantiert nicht mehr kommen? Es wird ja wohl seine Bewandtnis haben damit, dass uns der «Blick» diese Zahlen vorführt.
Des Rätsels Lösung: Diese Zahlenreihe ist nichts als heisse Luft. Denn was man bei der vom Thema offensichtlich überforderten Redaktion nicht weiss: Würfel – und auch Kugeln mit Zahlen drauf – haben kein Gedächtnis. Wir sind vielleicht völlig baff, wenn wir eine Doppel-6 würfeln, aber warum genau soll das unwahrscheinlicher sein als eine 1 und eine 4 und danach eine 2 und eine 5? Dreht sich die eine 6 im letzten Moment schnell noch nach unten, weil sie findet, eine von ihnen reiche doch?
Und warum soll bei EuroMillions die 5 oder die 19 oder meinetwegen die 50 nächstes Mal eher oder eher weniger auftauchen, nur weil sie früher häufiger gezogen wurde?
Die meisten «Blick»-Leser, die diesen Beitrag ernst nehmen, werden sich denken: Ich lass die Finger von den aufgelisteten Zahlen, die sind ja schon so oft aufgetaucht, da kommen die nun bestimmt nicht schon wieder. Aber kümmert es die Kugeln von dieser Woche, was früher passiert ist? Erinnert sich die 44 daran, dass sie schon so oft an der Reihe war und sagt sich: «Nö, ich lass das heute mal, hey, 35, wie wärs, ich lass dich vor»?
Natürlich gibt es eine zu erwartende Häufigkeit. Wenn ich 1000 Mal würfle, ist die Chance sehr klein, dass ich 1000 Mal eine 6 erziele. Aber nicht, weil sich die 6 verschämt erinnert, dass sie schon so oft dran war, sondern weil sie schlicht bei jedem Wurf in Konkurrenz zu fünf anderen Zahlen steht – und damit von vorne herein nur eine bestimmte Chance hat, zu erscheinen. Bei den bewussten 1000 Wurfversuchen ist es ziemlich wahrscheinlich, dass alle Zahlen früher oder später mal gewürfelt werden, vermutlich sogar in einem ziemlich ähnlichen Verhältnis zueinander. 1000 mal die 6 ist extrem unwahrscheinlich – aber, siehe da, nicht unmöglich. Denn Würfel haben kein Gedächtnis. Die tiefe Wahrscheinlichkeit, pausenlos dieselbe Zahl zu würfeln, liegt schlicht darin begründet, dass die Chance für eine bestimmte Zahl bei jedem Durchgang bei bescheidenen 1:5 liegt.
Aber eben: Das sagt gar nichts darüber aus, ob und wann die 5 bei EuroMillions wieder auftaucht, nur weil sie bisher häufiger gezogen wurde.
Das, was man als Spieler angeblich «beachten» muss laut diesem Artikel, um die Millionen abzusahnen, ist also schlicht pure Volksverdummung.