Wer Tabus installiert, torpediert die Wissenschaft, den Fortschritt und die freie Rede. Hier ein aktuelles Beispiel für eine Meldung, die Fragen aufwirft. Aber nur schon die Frage gilt als Tabubruch. Und das verunmöglicht Antworten.
Man muss höllisch aufpassen, keine verfrühten Schlüsse zu ziehen. Nicht jedes Ereignis, nicht jede Zahl ist zwingend ein Hinweis auf grössere Zusammenhänge. Nur: Man muss zuerst herausfinden, ob es das wirklich nicht der Fall ist. Dafür muss man Fragen stellen, sobald man etwas «Merkwürdiges» beobachtet. Vielleicht ja alles halb so wild. Dann ist es ja umso besser.
Hier ein aktuelles Beispiel, das mir eine Leserin geschickt hat:

Diese Meldung eines Regionalspitals datiert vom Donnerstag, 26. Januar 2023. Sie hat keine Wellen ausgelöst. Warum auch? Es ist einfach eine Jahresstatistik, die zudem belegt, dass wir es mit einem sehr aktiven Rettungsdienst zu tun haben. An dieser Stelle übrigens der herzliche Dank an die Leute, die diesen harten Job machen. Ohne meinen üblichen Sarkasmus und von Herzen.
Aber die Meldung fällt auf. Denn sie belegt eine ziemlich drastische Entwicklung. Ich bin leider kein Zahlenmensch, aber vom Schiff aus sehen wir: Es waren 2022 über 10 Prozent mehr Einsätze als noch 2020. Und immer noch fast 5 Prozent mehr als 2021. Das scheint mehr zu sein als ein Zufallsausreisser. Und es ist verknüpft mit einer inhaltlichen Einsätze: Weniger Unfallopfer, mehr Beschwerden mit medizinischer Ursache, die einen Einsatz nötig machten.
Man kann nun umgehend wilde Mutmassungen anstellen, aber das ist unseriös. Was man hingegen tun darf, kann, nein, sollte: Fragen dazu stellen. Zum Beispiel diese:
- Gab es in der Vergangenheit auch schon mal solche deutlichen Ausschläge nach oben?
- Wie sehen die aktuellen Zahlen im Langzeitvergleich aus?
- Um welche Probleme handelte es sich bei diesen «medizinisch bedingten» Einsätzen? Um alles Mögliche? Oder gab es ein Muster? Viele ähnlich gelagerte Fälle?
- Aus welchen Altersgruppen stammten die Leute, die einen Rettungseinsatz aus medizinischen Gründen brauchten?
Es gäbe noch einiges mehr zu fragen. Sicher ist nur eines: Wenn ein Rettungsdienst in zwei Dritteln der Fälle nicht zu Ereignissen ausrückt, die wir spontan mit ihm assozieren – Verkehrsunfälle, Stürze zuhause und so weiter –, dann scheint das aussergewöhnlich. Und das muss es auch sein, ansonsten würde das bewusste Spital diesen Punkt nicht eigens ausführen. Offenbar findet man auch im eigenen Haus, dass das bemerkenswert ist.
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Wie gesagt: Voreilige Schlussfolgerungen und wilde Mutmassungen, die der persönlichen Haltung zu bestimmten Themen gerade recht kommen, sind nicht angesagt. Nicht, bevor es keine weiteren Details dazu gibt. Man müsste diese Entwicklung genau untersuchen. Vielleicht geschieht das ja auch am See-Spital. Die andere Frage ist, ob wir vom Ergebnis erfahren werden.
Ich war lange Lokaljournalist, und wäre die Meldung damals aus meiner eigenen Region gekommen, wäre die Story gesetzt gewesen. Völlig egal, ob sie sich als harmlos entpuppt oder auf einen grösseren Zusammenhang hinweist. Denn ohne Frage ist da etwas passiert: Es hat eine Entwicklung eingesetzt. Das ist spannend. Aber es ist nicht anzunehmen, dass sich heute der Sache ein Kollege annimmt.
Denn derzeit grassiert die aktuelle Angst vor Erkenntnissen. Stellen wir uns vor – und wie gesagt, das muss nicht sein –, die medizinischen Einsätze würden eine Parallelität zu den Impfaktivitäten aufweisen. Das wäre nach wie vor nur ein reiner Befund ohne Schlussfolgerung, eine Korrelation, keine Kausalität. Aber es wäre Grund genug, weitere Fragen zu stellen. Nur will die eben kaum jemand stellen. Weil die Antwort unangenehm sein könnte.
Ich warne ausdrücklich davor, solche Meldungen einfach auf gut Glück mit einem Schuss ins Blaue zu publizieren. Also einfach zu sagen: Ich mag die Impfung nicht, also war es die Impfung. Das ist mit Stand heute in keiner Weise belegbar. Kriminalistisch gesprochen haben wir es hier mit einem sogenannten Anfangsverdacht zu tun: Es gibt ein zeitliches Zusammentreffen, und ob dieses von Relevanz ist, gilt es herauszufinden.
Aber wenn es niemand herausfinden will, wird das auch nie geschehen.
Der Staat müsste ein grosses Interesse haben, möglichst viel akkurates statistisches Material zu sammeln, das Aufschlüsse für die künftige Arbeit gibt. Wenn wir beispielsweise Jahr für Jahr mehr Todesfälle durch den Verzehr giftiger Pilze haben, ist es höchste Zeit für eine gross angelegte Informationskampagne oder den Ausbau der Pilzkontrolle. Das war schon immer ein wichtiges Instrument jeder Gesellschaft.
Neuerdings dienen Statistiken aber nicht mehr dazu, Erkenntnisse zu gewinnen. Stattdessen sollen sie Erkenntnisse verhindern.
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