Corona-ABC: Y wie Yolo

Mal wieder ein Müsterchen aus meinem kleinen Büchlein «Corona-ABC». Es geht um die Frage, warum man angeblich zu leben aufhören muss, um nicht zu sterben.

Das Buch kann hier bestellt werden.

Y wie Yolo

Wer Kinder im Teenie-Alter hat, lernt laufend neue Begriffe kennen. Einer davon ist «You only live once», abgekürzt YOLO. Für Religionen, die an die Wiedergeburt glauben, ist dieses Motto natürlich eher problematisch. Aber für alle anderen ist es eine unglaublich praktische Lebenseinstellung. Verkürzt sagt sie aus: Mach jeden Unsinn, der dir gerade einfällt, denk nicht an mögliche Konsequenzen, denn irgendwann ist es sowieso vorbei, und bis dahin solltest du richtig gelebt haben. Im Prinzip eine etwas jugendgerechtere Variante von «Carpe diem». Frühere Generationen kannten das auch schon, aber wir haben das mit den Worten von Oscar Wilde ein bisschen poetischer ausgedrückt: «Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiss, ob sie wieder kommen.»

Wunderschön. Und so wahr. Jedenfalls bis 2020. Dann galt plötzlich: Sterben ist verboten. Und alles, was auch nur im Promillebereich der Wahrscheinlichkeit allenfalls vielleicht möglicherweise halbwegs in diese Richtung gehen könnte: Bitte vermeiden um jeden Preis. Das Leben wurde auf diese Weise über Nacht vom einst wunderbaren Erlebnis voller Ereignisse zum reinen Selbstzweck. Neu galt: Es geht nicht mehr darum, zu leben, sondern nur noch darum, zu überleben, selbst wenn man auf dem Weg zum leider immer noch unvermeidlichen Tod das eigentliche Leben mehr oder weniger einstellt.

Wie so viele andere Dinge in diesen zwei Jahren war auch das ein Tabuthema. Wer es aufbrachte, musste sich nachsagen lassen, Covid-19 zu verharmlosen und Todesopfer einfach in Kauf zu nehmen. Das war und ist barer Unsinn. Eine funktionierende Gesellschaft basiert auf dem Prinzip der Verhältnismässigkeit, siehe «V». Ein Virus, das in erster Linie eine klar umrissene, erkennbare Risikogruppe betrifft, kann und darf nicht dazu führen, dass ausnahmslos alle in bestimmten Bereichen das Leben einstellen müssen beziehungsweise durch massive Einschränkungen der Grundrechte an Lebensqualität verlieren. Es gilt, die echte Gefahr und die konstruierten Verluste durch Massnahmen gegeneinander abzuschätzen. Das bedeutet nicht, dass ein bestimmtes Menschenleben unwichtiger ist als das andere. Sondern nur, dass es nicht angeht, eine von Anfang an zum Scheitern verurteilte «Zero Covid»-Politik gegen die natürlichen und berechtigten Interessen der Allgemeinheit durchzudrücken.

Auch ich gehe davon aus, dass wir nur einmal leben. Deshalb habe ich auch in diesen zwei Jahren Hände geschüttelt, Leute umarmt und geküsst (wenn mir danach war jedenfalls). Weil ich diese Erfahrungen schon in den 48 Jahren zuvor haufenweise gemacht habe, würde ich es wohl auch ohne bleibende Schäden überleben, wenn ich darauf verzichtet hätte.

Aber wie sieht es mit Kindern aus, für die all das ein wichtiger Baustein beim Heranwachsen ist?