Unmoralische Moralapostel

Der Zürcher Staatskasse wären um ein Haar viel Geld entgangen. Steuergeld, welches das Onlinemedium «Republik» berappen müsste. Ein Formfehler sei das gewesen, sagen die Leute vom Verlag. Einen solchen hätte die linke Zeitung bei anderen in einer ganzen Serie gegeisselt. Mit sich selbst ist man immer grosszügiger.

Gegen die Macher der «Republik» wird ermittelt. Es geht um den Verdacht der Steuerhinterziehung, der sich über mehrere Jahre erstreckte. Es soll um nicht deklarierte Schenkungen und nicht abgeführte Mehrwertsteuer gehen. Insgesamt sprechen wir von einem tiefen siebenstelligen Betrag. Und natürlich gilt wie immer die Unschuldsvermutung.

Es ist ja durchaus möglich, dass die Administrativabteilung der «Republik» nach dem fulminanten Start des neuen Mediums von der Realität überfordert war. Angesichts der ausschweifenden Ressourcen, die sich die Onlinezeitung von Anfang an gönnte, wäre das allerdings eher peinlich. Man rührte gleich nach dem Crowdfunding, das Startmillionen in die Kasse spülte, mit der grossen Kelle an. Denn es galt immerhin, den Journalismus neu zu erfinden.

Ob das gelungen ist, darf jeder selbst beurteilen. Aus meinem Jahr als Abonnent habe ich den Eindruck gewonnen, die «Republik» sei eines der vielen und durchaus auswechselbaren Medien, die den linken Zeitgeist bedienen, für die alles rechts der Mitte des Teufels ist und diese Haltung einfach in sehr, sehr, sehr viel mehr Zeichen pro Text verstaut. Erstaunt hat mich die digitale Zeitung in dieser Zeit nie. Oder höchstens mit der Courage, so offensichtlich gepolt zu sein und es dennoch weit von sich zu weisen. So handverlesen wie die Redaktion einheitlich tickt, so homogen ist die Riege der Abonnenten. Nur selten gibt es in den Kommentarspalten Widerworte. Man ist unter sich und hat es sich kuschlig eingerichtet.

Bei mir gibt es kein Crowdfunding. Dafür aber eine sehr unspektakuläre Steuerrechnung. Danke für Ihre Unterstützung.

Aber eben: Bei den Zahlen scheint es gehapert zu haben. Ökonomisch betrachtet ist die «Republik» eine Geschichte des Versagens. Wer zu Beginn mit Millionen zugekleistert wird und dann nach wenigen Jahren bereits damit droht, sich selbst den Todesstoss zu versetzen, wenn nun nicht sofort tausende von neuen Abonnenten kommen, hat die betriebswirtschaftliche Seite nicht im Griff. Endet das in einem geordneten Rückzug: Wohlan, dumm gelaufen, und andere linksbewegte Medien wie die «Tageswoche» können davon ein Liedchen singen. Andere wie «Bajour» sind nur noch dank den Millionen einer Pharma-Erbin knapp am Leben.

Im Fall der «Republik» ist das ausnahmsweise aber doch ein leichter Anreiz für Schadenfreude. Denn dieses Medium müsste voller Stolz jeden Rappen Steuern abführen und noch Trinkgeld dazu geben. Schliesslich gilt es, den armen Staat vor den bösen unternehmerischen Abzockern zu schützen, die dauernd versuchen, ihr Geld zu verstecken. Das war jedenfalls der Tenor vieler Texte in der «Republik». Es ist ein bisschen, als würde man einen Hardcore-Missionar des Veganismus erwischen, wie er sich in seiner Küche fette Steaks brät.

Kurt W. Zimmermann hat in der aktuellen «Weltwoche» einen weiteren interessanten Aspekt beleuchtet: Dass keine Zeitung über diese Vorgänge berichtet. War es wirklich nicht mal eine halbe Spalte wert, dass die Retter des demokratierelevanten Journalismus in der Schweiz derzeit darüber durchleuchtet werden, ob sie allenfalls Geld am Fiskus vorbeischmuggeln wollten? Hätte sich das ein Medium mit bürgerlich-liberaler Haltung erlaubt, wären die Journalisten anderer Verlage nicht mehr zu bremsen gewesen. Aber hier: Kein Wort.

Das ist zugleich die Moral der Geschichte, die ich dringend meinen Kindern vermitteln muss. Posaune permanent öffentlich heraus, welch guter Mensch du bist, dass du genderst, woke bist, Minderheiten schützt, die das nicht mal wollen. Dann kannst du dir alles erlauben. Du segelst unter dem Radar. Sobald du tausend Mal Wasser gepredigt hast, kannst du Wein trinken, so viel du willst: Keiner schaut mehr hin.

Auch die Betroffenen selbst übrigens nicht. Erstaunlich wortkarg sind die Leute, die sonst auch aus der dünnsten These gern mal 50’000 Anschläge machen. Sie möchten nicht darüber sprechen, was da genau falsch lief. Vermutlich sind sie auch ein bisschen beleidigt. Da wollen sie völlig selbstlos dem Land den Journalismus zurückgeben, und ein paar reaktionäre Kleingeister hacken auf der Steuerrechnung rum. Wirklich undankbar.