Wer die obligatorische Schule verlässt, ist nicht mit letzter Sicherheit in der Lage, einen fehlerfreien Brief zu schreiben. Das ist sogar eher die Ausnahme. Kinder werden stattdessen lieber in die Feinheiten der Genderthematik eingeführt. Diese Schilderung mag dramatisiert sein, aber das angesprochene Problem ist real. Unser Schulsystem braucht mehr als nur eine sanfte Reform. Wir liegen seit Jahren falsch.
Es ist ein bisschen wie im Gesundheitswesen: Dass es in der Bildung nicht funktioniert, kann man nicht denen an der Front anlasten. Die Lehrkräfte in der Schweiz sind zum Grossteil motiviert, kompetent und mit Leidenschaft an der Sache. Aber sie sind Teil eines Apparats, der längst vergessen oder verdrängt hat, was seine Aufgabe wäre: Zum einen die Wissensvermittlung, vor allem aber die Befähigung Heranwachsender, selbst zu denken, Lösungen zu entwickeln und Gegebenes in Frage zu stellen. Es sei denn natürlich, man will ausnahmslos gehorsame Soldaten hervorbringen.
In einem Mailaustausch mit einem Kritiker des Bildungssystems fiel von seiner Seite sinngemäss die folgende Aussage:
«95 Prozent der Realschulabgänger beherrschen die Rechtschreibung nicht. Dafür können sie hervorragend Plakate gegen den Klimawandel malen.»
Man kann die Misere kaum besser beschreiben als mit diesen zwei Sätzen.
Ich war selbst einst Mitglied eines Schulrats und weiss seither: Es wird in den Schulgemeinden tüchtig gearbeitet, organisiert und administriert, es werden die Vorgaben des Lehrplans eingehalten, es werden Slogans wie «Das Kind im Mittelpunkt» kreiert. Aber ich habe weder von Lehrkräften noch von strategischen Organen jemals grundlegende Fragen zum System gehört.
Tun wir eigentlich das Richtige? Vermitteln wir die richtigen Inhalte, und wenn ja, machen wir das auf die richtige Weise? Entlassen wir zu einem erfolgreichen Leben befähigte Jugendliche aus der staatlichen Schule?
Ich werde das Thema künftig regelmässig näher beleuchten und Defizite aufzeigen. Für heute steht aber eine ganz andere Frage im Zentrum: Warum hält die Politik so unerschütterlich fest an einem System, das nachweisbar immer schlechtere Resultate produziert? Warum dienen Kinder als Experimentierfeld für Versuche wie «Schreiben nach hören», zu dem Studien belegen, dass es weniger taugt als die althergebrachte Methode? Ist es nicht für einen Blinden zu erkennen, dass die heutige Schule an ihren eigenen Ansprüchen scheitert?
Die Antwort auf die Frage nach dem «Warum» ist einfach, und sie deckt sich mit den Erfahrungen der letzten Jahre aus anderen Zusammenhängen: Der Staat* will nicht loslassen. Der Staat liebt Monopole. Ein solches hat er im Rahmen der obligatorischen Schulzeit. Natürlich gibt es Privatschulen, aber sie haben, zumindest was die Resultate am Schluss betrifft, nach den Vorgaben des Staates zu funktionieren. Sie stehen unter strenger Kontrolle. Die Leine ist kurz. Angeblich soll das dem Wohl des Kindes dienen. Das ist, wie wenn einer einen Nagel schräg in die Wand schlägt und dann von jedem, der auch hämmern möchte, verlangt, es bitte genau so falsch zu machen.
Der Staat garantiert Schulbildung. Das ist gut so. Aber muss er, um diese Garantie einzulösen, auch selbst das entsprechende Angebot schaffen? Kann er das wirklich in jedem Fall besser als Private oder die Familien selbst? Was treibt ihn zu dem Argwohn, mit der er jede private Initiative im Bildungsbereich beäugt? Warum werden Leuten Steine in den Weg geworfen, die überzeugt sind, dass die staatliche Schule nicht die beste Lösung ist? Und ist die These, dass es der Staat besser kann von Zahlen und Fakten untermauert? Ich kenne persönlich nicht sehr vieles, das der Staat besser kann als andere. Warum sollte das ausgerechnet bei der Schule so sein?
Dass allein der Staat unsere Kinder bildet, ist nicht nur keineswegs alternativlos, es birgt auch Gefahren. Das, was der Staat uns Erwachsenen aufzudrücken versucht mit Verboten und Präventionskampagnen, kann er auf diese Weise schon den Jüngsten vermitteln. Jeder, der Kinder im schulpflichtigen Alter hat, kann das bestätigen. Wer Angst vor Privatschulen hat, weil die politisch oder religiös geprägt sein könnten, dem sei gesagt: Es gibt kaum ein politisch mehr geprägtes Umfeld als die staatlichen Schulen. Und es ist eine sehr einseitige Prägung.
Schule muss sich weiterentwickeln, hört man von den Verantwortlichen immer wieder. Was sie darunter verstehen: Laufend neue Zeitgeist-Erscheinungen in den Unterricht einbauen. Eine echte Weiterentwicklung würde damit beginnen, einen Marschhalt zu machen und sich zu fragen: Haben wir überhaupt die richtige Richtung eingeschlagen? Ist das, was am Ende dieses Wegs steht, das, was es sein soll?
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* Ich verwende den Begriff «Staat» hier als Synonym für seine offiziellen Organe – Regierungen und Verwaltungen. Darüber hinaus bin ich bekanntlich überzeugt davon, dass WIR der Staat sind.