Ein kleiner Schritt für die Redaktion, ein grosser für die Menschheit: Der «Blick» verzichtet künftig darauf, die aktuellen Coronazahlen mit Push-Meldung auf unsere Handy zu beamen. Wie edel, wie vernünftig. – Wie durchsichtig.
Push-Meldungen sind ja die neue Geissel der Menschheit, aber offenbar funktionieren sie, sonst würden nicht die meisten Onlinemedien auf sie setzen. Einmal abonniert, ist man in der Zwangsjacke. Da nützt es auch nichts, wenn man im Auswahlmenü explizit sagt: Keine Sportmeldungen bitte! Denn wenn Roger Federer kurz hustet, ist das keine Sportmeldung, es ist ein Ereignis von nationaler Tragweite – Push!
blick.ch verzichtet nun künftig darauf, uns per Push-Meldung mitzuteilen, welche Tageszahlen das Bundesamt für Gesundheit gerade zu bieten hat. Man kann sich an dieser Stelle fragen, warum die Zeitung – neben vielen anderen – diesen «Service» überhaupt jemals angeboten hat. Es war ja nicht nötig, Fallzahlen, Hospitalisationen und Todesfälle direkt aufs Handy der Leser zu schicken. Sie waren sowieso immer unübersehbar sehr prominent auf den entsprechenden Portalen zu finden. Mit einer Aussagekraft nahe an der Gefriergrenze. Auch das ist längst bekannt. Fallzahlen, die auf einem missratenen, ungeeigneten Test basieren und nichts aussagen über den Gesundheitszustand oder die «Qualität» als Virenverbreiter? Nicht brauchbar. Oder höchstens zur Panikmache. Was ja auch die Absicht war.
Lustig natürlich, dass der «Blick» genau zu dem Zeitpunkt damit aufhört, als der Bundesrat seinerseits das Ganze ein bisschen runterdimmt. Wenn für Berset und Co. die «Pandemie» nicht mehr so dramatisch ist, darf sie es auch für die Ringier-Blätter nicht sein. Obschon diese, hüstel, völlig unabhängig vom Staat agieren.
Natürlich wird an anderen Fronten weitergemacht. Der gute Herr Drosten, selbsternannter und von den meisten Medien als solcher kolportierter Superexperte in Sachen Corona, kann auf blick.ch weiterhin über eine «Impflücke» fabulieren, die uns allen noch das Genick brechen wird. Aber immerhin gab es in den letzten paar Tagen ein paar tragische Verbrechensfälle, die das Zeug haben, allfällige Lücken in der Berichterstattung zu füllen, wenns schon weniger Corona gibt. Hosianna!
Ganz ehrlich: Ich hatte mich ja schon längst an die Push-Meldungen gewöhnt. Nicht etwa, dass ich draufgetippt hätte, um mehr zu erfahren, wozu auch, in der Push-Nachricht stand ja stets schon alles, was ich (nicht) wissen musste. Aber wenn mein Handy aufleuchtet, gibt mir das für einen kurzen Moment das Gefühl, ein gefragter Mann zu sein. Nun wird das weniger oft der Fall sein. Vielleicht sollte ich wahllos einige andere Push-Dienste abonnieren (Glückspost? Tierwelt? Landliebe?), damit ich nicht auf Entzug komme.
Hier doch noch der Vollständigkeit halber die offizielle Begründung des Chefredaktors von blick.ch:
«Die Push-Nachrichten zu den Corona-Zahlen wurden für Userinnen und User zu einer wichtigen Informationsquelle, um die tägliche Entwicklung der Pandemie verfolgen zu können. Diese Dringlichkeit erachten wir als nicht mehr gegeben. Selbstverständlich werden die Corona-Zahlen weiterhin im Ticker publiziert – mit dem Fokus auf Spitaleinweisungen und Intensivplätzen, da diese zu den relevanten Faktoren geworden sind. Die Infektions- und Testzahlen werden als untergeordnete Zusatzinfo vermeldet.»
Also, bei aller Ehre, die «tägliche Entwicklung der Pandemie» liess sich mit diesen Zahlen nicht verfolgen. Man erfuhr auf diese Weise einfach, mit welchen Zahlen die aktuellen Massnahmen mühsam begründet werden sollten. Aber schön zu sehen, dass man auch beim «Blick» inzwischen kapiert hat, dass Spitaleinweisungen eine relevantere Zahl sind als Tests oder Infektionen. Besser spät als nie! Aber hätte man von Anfang an nur diese kommuniziert, und das erst noch ehrlich, wäre das Ganze natürlich weit weniger dramatisch ausgefallen, was nicht im Sinn einer Zeitung ist.
Die «Policy» bezüglich Push-Meldungen könne übrigens «jederzeit angepasst» werden, heisst es weiter, weil sich Covid-19 als «unberechenbar» gezeigt habe. In aller Ehre sind es eher die Medien, die ziemlich unberechenbar agierten. Wobei, Moment, mit Blick auf die Zusammenarbeit mit der Regierung waren sie durchaus berechenbar.
Das zeigt auch ein Schmankerl zum Schluss: Der Vorspann, mit der die News rund um die Einstellung der Push-Zahlen eingeführt wurde.
«Nachdem der Bundesrat am Mittwoch Lockerungen angekündigt hat und so einen grossen Schritt zurück in die Normalität macht, passt auch die Blick-Gruppe ihre Corona-Berichterstattung an.»
Dass die eigene journalistische Leistung abhängig gemacht wird von dem, was der Bund gerade als richtig empfindet und entscheidet, kann man nicht eindeutiger sagen. Die Landesregierung gibt den Takt der Berichterstattung vor. Ein grosses Lob für diese Transparenz. Gerade noch rechtzeitig vor dem 13. Februar und der Abstimmung übers Mediengesetz.