Und plötzlich werden Zahlen hinterfragt

Monatelang haben die Medien frischfröhlich und ohne jedes Fragezeichen die Zahlen der Bundesbehörden verbreitet. Nun beruhigt sich die Lage in den Spitälern. Aber weil das natürlich nicht sein darf, stellen die Journalisten plötzlich Fragen. Ziemlich seltsam.

«So gaukeln die BAG-Zahlen ständig abnehmende Spitaleinweisungen vor», ist ein Artikel in den Zeitungen von CH Media betitelt. Das hätte man ganz nebenbei schöner und flotter formulieren können, aber das ist nicht das grösste Problem. Es geht in dem Text in erster Linie darum, dass Spitaleinweisungen verzögert an die Behörden kommuniziert und deshalb spät addiert werden. Die These: Es ist viel schlimmer, als die Zahlen glauben machen. Die Grafik, so die CH-Media-Blätter, vermittle den Eindruck der Harmlosigkeit von Omikron, aber das zu Unrecht.

Omikron ist doch gefährlich, nur die Grafik taugt nichts? – Also, Moment mal. Die Leute, die uns zwei Jahre lang als die absolut einzige glaubwürdige wissenschaftliche Quelle verkauft wurden, also das BAG und die Experten seines Vertrauens, sollen nun plötzlich Pfeifen sein? Weil sie nicht mehr auf Panik machen und vermelden, dass die Spitäler nun doch nicht vor dem Kollaps stehen, wie es längst der Fall sein müsste?

Zwei Jahre lang hat eine kreative Buchführung kaum einen Journalisten gestört. Kraut und Rüben wurde in den Coronatopf geworfen, je mehr, desto besser. Die Definition eines an/mit Corona Erkrankten oder an/mit Corona Verstorbenen wurde nie hinterfragt. Hauptsache Nummern bolzen. Nie wäre es den Zeitungsschaffenden eingefallen, daran zu zweifeln. Nun löst sich der Spuk allmählich auf, und die Redaktionen entdecken die Lust an der Recherche, am Vergleichen, am Hinterfragen. Es wirkt wie ein verzweifelter Schrei: Himmel, nein, nehmt uns Corona bloss nicht weg!

Nur ein kleines Müsterchen. Da heisst es:

«Ende Dezember zeigte die Kurve zum Beispiel täglich nur noch 75 Spitaleinweisungen an – drei Wochen später sieht man, dass es tatsächlich 109 neue Corona-Patienten waren.»

What! Wahnsinn! Es wurden uns 34 Leute unterschlagen. Das sind bei einer Population von über 8 Millionen ja krasse… äh, ich habs nicht so mit Zahlen. Jedenfalls ist es vermutlich eine Prozentzahl mit einer Null vor dem Komma und arg viel Nullen hinter dem Komma. Aber irgendwie passt das Wort «Nullen» ja auch zur ganzen Angelegenheit.

Aber der Istzustand ist ja wie immer gar nicht das Problem, sondern die böse Zukunft. Ein BAG-Sprecher darf, nachdem er seine Kristallkugel abgestaubt hat, im gleichen Beitrag sagen:

«Angesichts der weiterhin sehr hohen Fallzahlen kann ein Wiederanstieg der Hospitalisierungen noch nicht ausgeschlossen werden.»

Vielleicht müsste man dem Herrn und gleich auch der gesamten Truppe bei CH Media bei Gelegenheit sagen, dass der Satz überflüssig ist. Im Leben kann generell nichts ausgeschlossen werden. Oder vielleicht doch: Eine angebrachte Berichterstattung über Corona bei den grossen Blättern.