Die Wahrheit hat ganz furchtbar viel Angst

Wenn es nur eine Wahrheit gibt, und wenn diese Wahrheit so klar, so erwiesen, so unantastbar ist, warum hat der Besitzer dieser Wahrheit dann solche Angst davor, dass ein anderer das Gegenteil behauptet? Was macht angebliche Lügen und «Fake News» so gefährlich, dass man sie verhindern muss – wenn die Wahrheit doch so stark und überzeugend ist? Eine Nachlese nach einem Abend mit Daniele Ganser.

Vorbemerkung zum Bild oben: Ich publiziere es gern selbst, bevor es früher oder später sicher in irgendeinem Mainstream-Medium erscheinen wird als Beleg für die Existenz der Achse des Bösen. Die beste Waffe im Kampf gegen Zensur und staatliche Manipulation ist es, sich sichtbar an die Seite derer zu stellen, die sie bekämpfen. Völlig egal, ob man immer mit ihnen übereinstimmt oder nicht. Die Losung heisst mehr als je zuvor: Flagge zeigen. Links und rechts aussen die Veranstalter des Vortrags, dazwischen Daniele Ganser (das ist der Grosse) und ich (das ist der Kleine).

Vorbemerkung 2: Ganz unten findet Ihr einen wertvollen Veranstaltungshinweis.

Für den folgenden Text muss ich etwas tun, das mir schwer fällt. Ich übernehme das Muster von Macht und Medien und behaupte, dass es nur Schwarz und Weiss gibt, dass nur eine Wahrheit existiert und dass alles, was dieser widerspricht, gelogen ist, eine Verschwörungstheorie, Fake News. Absender der einzigen Wahrheit ist: Der Staat.

Keine Sorge, ich bin nicht umgekippt. Ich mache das nur, um ungestört der Frage nachgehen zu können, warum man diese heilige, unbestreitbare Wahrheit mit Zensur, Cancel Culture und Zerstörung von Existenzen «schützen» muss. Was seit langem geschieht. Dafür muss ich so tun, als gäbe es diese Wahrheit. Und das erst noch nüchtern.

Ich war zu Gast in Kloten an einem Vortragsabend mit dem Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser. Das Konferenzzentrum am Schluefweg in Kloten entwickelt sich übrigens mit regelmässigen Veranstaltungen allmählich zu einem der wenigen Orte, an denen die Suche nach der Wahrheit frei und offen gelebt werden kann.

Aber Verzeihung, ich widerspreche mir gerade selbst. Ich habe mir ja vorgenommen, in diesem Beitrag davon auszugehen, dass man die Wahrheit gar nicht suchen muss, weil es nur eine einzige gibt. Also zurück in die Spur.

Daniele Ganser wird aktuell gerade Opfer der Cancel Culture. Schon mehrfach musste er im letzten Moment einen neuen Veranstaltungsort für seine in der Regel ausgebuchten Vorträge mit oft 1000 und mehr Besuchern suchen. Und zwar, weil die zuständigen Behörden vor Ort befanden, er sei nicht willkommen. Eine konkrete Begründung braucht man dafür heutzutage übrigens nicht. Es reicht, wenn irgendeine Zeitung vorher befunden hat, der Mann sei nicht koscher. Ich stelle mir das gerade bildlich vor. «Herr Bürgermeister, in der Halle XY soll YZ auftreten. Aber ich habe in der Zeitung gelesen, der sei umstritten.» – «Um Himmels Willen, ausladen!»

Die Absagen betreffen denselben Vortrag, den der Historiker am Freitag in Kloten hielt. Er ging darin der Frage nach, was zum Krieg in der Ukraine geführt hat, wobei er zu anderen Schlüssen kommt, als sie uns seit bald einem Jahr eingehämmert werden. Ich durfte einführende Worte zum Anlass sprechen, ob ich sonst dort gewesen wäre: Keine Ahnung. Aber ich bin froh, dass es so gekommen ist.

Ich habe das Referat zum ersten Mal gehört. Mein Fazit: Ich verstehe durchaus, dass Repräsentanten der Macht nicht gerne hören, was Ganser da sagt. Seine Thesen stehen dem Narrativ im Weg, das sie selbst verbreiten und unterstützen. Nur war es mir neu, dass es die Aufgabe eines Bürgermeisters ist, stellvertretend für seine Bürger zu entscheiden, was sie hören sollen und was nicht. Ich persönlich denke eigentlich ganz gern selbst, und mir ist nicht bekannt, dass Leute, die in ein politisches Amt gewählt werden, bei Amtsantritt gleich noch die unendliche Weisheit geliefert erhalten.

In diesem Blog finden Sie die Wahrheit nicht. Aber den Ansporn, sie zu suchen. Danke für Ihre Unterstützung.

Der Vortrag bestand zu gefühlten 90 Prozent aus unbestreitbaren Fakten. Es war alles schön belegt, es gab Quellenangaben zuhauf. Nun möchte ich mir aber nicht nachsagen lassen, ich sei naiv. Natürlich kann man auch aus Fakten «Fake News» machen, wenn man will, und das ist es, was die Kritiker Ganser vorwerfen. Dass er Belegtes und Unbelegtes vermischt und mit Suggestivfragen unterlegt, um dem Publikum eine bestimmte Sicht der Dinge zu vermitteln.

Dazu zwei Dinge. Erstens: Ich bin persönlich nicht besonders anfällig für Suggestion, und diejenigen Gäste des Abends, die ich bereits kannte, sind es ebensowenig. Zweitens: Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass dieselben Leute, die uns die letzten Jahre mit manipulierten Zahlen und Bildern und der gezielten Verbreitung von Angst suggestiv beeinflussen wollten, nun einem ihrer Kritiker diese Technik vorwerfen.

Ich kann den Vortrag, so er denn in Zukunft noch irgendwo stattfinden darf, wärmstens empfehlen. Daniele Ganser ist nicht nur Historiker, sondern auch Unterhalter. Die Dramaturgie stimmt, es ist eine gute Dosis Humor eingebaut, es ist keine Sekunde langweilig. Voraussetzung für den Besuch ist für mich – und ich nehme an, Ganser wünscht sich das auch selbst –, dass das Publikum auch ihm nicht einfach alles glaubt, sondern es auf den Prüfstand stellt. Es kann ja nicht darum gehen, einfach eine unkritisch kolportierte Wahrheit durch eine andere zu ersetzen. Ganser ruft dazu auf, kritisch zu bleiben, und das muss natürlich auch gegenüber ihm gelten. Fans nützen niemandem etwas.

Aber zurück zum Thema und zu meiner Ursprungsfrage. Selbst wenn das, was uns unsere Regierungen und unsere Medien in Bezug auf den Krieg in der Ukraine verkaufen, stimmt (also das denkbar eindimensionale Bild des Verrückten, der grundlos irgendwo einmarschiert), wenn das die einzige Wahrheit ist: Warum ist es dann so dramatisch, so gefährlich, wenn einer ein mehrdimensionales Bild zeichnet, Vorgänge vor vielen Jahren schildert, Zusammenhänge herstellt? Wenn die Sachlage ja so klar ist, was kann dann so verhinderungswürdig daran sein, 400 Menschen in Kloten eine andere Sichtweise zu präsentieren? Eine mögliche Variante, wie es eben auch noch sein könnte?

Fragt man das jemanden, der es gut findet, wenn der Staat die Meinungsfreiheit aushebelt, erhält man meist sinngemäss diese Antwort:

«Das ist überhaupt nicht harmlos. Fake News zuzulassen, ist eine Gefahr für die Demokratie und den Zusammenhalt. Wenn Verschwörungstheorien kursieren, die das Vertrauen in den Staat untergraben, kommt es zu einer Spaltung der Gesellschaft. Meinungsfreiheit muss Grenzen haben.»

Aha. Gut. Ich habe da einige Einwände.

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Erstens: Vertrauen ist etwas, das man sich erarbeiten muss. Keine Person der Welt und der Staat erst recht nicht hat einfach aus Prinzip mein Vertrauen. Ich muss zuerst die Erfahrung machen, dass er es verdient hat. Wir wurden in den letzten drei Jahren (und sicher schon viel länger) systematisch angelogen von Regierungen, Behörden und Medien. Nachweislich. Nun sagt man uns, es sei ein Problem, wenn wir diesen Staat, der uns anlügt, in Zweifel stellt. Genau mein Humor.

Zweitens: Wenn die Leute, die im Besitz der einzigen Wahrheit sind und jede Suche nach einer «anderen» Wahrheit verhindern, von Spaltung sprechen, trägt das zum erwähnten Humor weiter bei. Sie sagen nichts anderes als: «Glaubt uns unbesehen, was wir sagen, sprecht gar nicht erst von Alternativen und grenzt bitte jeden aus, der kritische Fragen stellt – so verhindern wir eine Spaltung der Gesellschaft.» Das stimmt natürlich. Wenn wir die Bevölkerung durch Schaufensterpuppen ersetzen, wird es auch nicht zur Spaltung kommen. Weil keiner mitdenkt und keiner zur Widerrede ansetzt. Ist das die schöne neue Welt, die sie wollen? Ja, der Graben wird immer tiefer. Aber nicht, weil einige dem Staat widersprechen. Sondern weil dieser Staat das nicht duldet. Und weil er dazu beiträgt, dass Andersdenkende ausgegrenzt werden.

Drittens: Da hat jemand das Wesen der Demokratie nicht verstanden. Wenn wir Glück haben, bringt uns unsere Staatsform am Schluss bessere Resultate. Die sind aber das Ergebnis einer vorausgehenden Auseinandersetzung, einer Debatte, eines Kampfs ums beste Argument. Wie soll man bitte das beste Argument finden, wenn man die Debatte verhindert und das einzig erlaubte Ergebnis schon am Anfang definiert? Eine Demokratie, die keine Gegenstimmen hören will zu dem, was die Regierung sagt, ist keine Demokratie – so banal ist es. Leute, die von der Demokratie offenbar rein gar nichts halten, die jede Debatte zerstören, indem sie diese gar nicht erst zulassen, sagen nun ausgerechnet den kritischen Geistern, DIESE seien eine Gefahr für die Demokratie? Nein, zur Hölle, diese kritischen Geister TRAGEN die Demokratie.

Viertens: Wenn Meinungsfreiheit Grenzen haben muss, wer legt diese Grenzen dann fest? Der Staat? Die Medien, die am Gängelband des Staats sind? Das würde heissen: Die Leute, die uns sagen, welches die einzige Wahrheit ist, definieren auch gleich, was alles nicht gesagt und gefragt werden darf. Dann haben wir keine Demokratie, sondern eine Religion. So in diesem Sinn: Dort drüben steht die heilige Kuh, und hier ist das Regelwerk, das festlegt was über die heilige Kuh gesagt werden darf und was nicht. So stellen wir sicher, dass die Kuh auf ewig heilig bleibt. Verzeihung, wenn wir das so machen, können wir aus jedem Rindvieh irgendwo in den Ausläufern des Alpsteins eine heilige Gestalt machen.

Fünftens: Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind bereits klar festgelegt, und zwar im Strafgesetzbuch. Alles, was von diesem nicht betroffen ist, darf demnach frei gesagt werden. Wenn man die juristischen Kategorien einfach ergänzt um alles, was man eben lieber nicht hören möchte, ist das die totale Willkür. Und es ist, auch wenn man ja offenbar keinerlei Vergleiche mehr anstellen darf, der direkte Weg in den Totalitarismus. Es geht nicht darum, was heute ist, es geht um die Zukunft. Heute dürfen wir nicht an der Gefahr durch ein Virus und der Wirksamkeit der Impfung und an den Hintergründen eines Kriegs zweifeln. Aber was werden Regierungen und Medien morgen auf diesen Index setzen? Was wird dann ein Hindernis sein, wenn man eine Bühne mieten möchte?

Ein kleiner Tipp an die Leute, die finden, man müsse «Fake News» durch Zensur und Verbote bekämpfen. Heute mag euch das richtig erscheinen. Aber es ist gut möglich, dass das, woran IHR glaubt, schon bald als «Fake News» definiert wird und man dann EUCH den Mund verbietet. Und dann sollten wir vielleicht noch einmal darüber sprechen.

Denn wie sagt der Engländer so schön: «I’ve tasted my own medicine, and it’s bitter.»

Danke für Ihren Beitrag an meine Arbeit.


Veranstaltungshinweis:

Dinner mit Input: Wodarg / Rima / Najadi – 13. April 2023, Kloten.
Weitere Informationen gibt es hier.