Die Ereignisse rund um das Departement von Alain Berset und den Verlag Ringier erstaunen mich nicht. Das konnten wir ja jederzeit alles live mitverfolgen. Das Problem ist ein anderes: Es braucht indiskrete Leute innerhalb des Staates – aber sicher keine, welche die Machenschaften des Staats stützen.
Für den gesamten folgenden Text gilt für alle Erwähnten die Unschuldsvermutung (mit Ausnahme von Nixon vielleicht).
Als US-Präsident Nixon zu Fall kam, war das einer Quelle zu verdanken, die heimlich mit Journalisten zusammenarbeitete. Codename: Deep Throat.
Ähnliche Beispiele gibt es in der Geschichte viele. Sie folgen alle derselben Mechanik: Wann immer auf dieser Welt Leute aus den Schaltstellen der Macht etwas ausplaudern, das sie nicht ausplaudern dürften, war das Ergebnis danach, dass die Macht litt. Ihr flog etwas um die Ohren, das keiner hätte wissen sollen.
Es gibt gute Gründe, warum «Whistleblower», die Ungerechtigkeiten oder Korruption ans Tageslicht zerren, einen gewissen – wenn auch keinen ausreichenden –Schutz geniessen. Wir brauchen sie.
Das ist der Sinn eines Maulwurfs. Und nur das.
Was gemäss aktuellen Verdachtsmomenten zwischen Alain Bersets Departement des Innern und dem Verlag Ringier lief, hat nichts damit zu tun. Hier ging es um eine Festigung der Macht, darum, das, was die Regierung beziehungsweise Teile davon bei der Bevölkerung installieren wollten, mit Hilfe eines Mediums zu verbreiten. Das hat keinen Hauch von «Deep Throat», und Julian Assange bekommt in seiner Gefängniszelle Schnappatmung.
Wirklich unabhängigen Journalismus unterstützen: So geht das.
Das ist eine neue Qualität, wobei ich das Wort nicht positiv meine. Ebenfalls neu ist, wie lange und wie offensichtlich das Ganze völlig ungetarnt vor unseren Augen laufen konnte, ohne dass jemand aufmuckte. Was die «Schweiz am Wochenende» verdankenswerterweise in Form von Ermittlungsakten enthüllt hat, wusste jeder, der mit offenen Augen Zeitung liest. Es war stets völlig klar, dass Ringier früher mehr wusste als alle anderen. Ich habe zahllose Male darüber geschrieben.
Nur leider sonst kaum jemand. Deshalb erstaunt mich die Empörung, die nun bei Konkurrenzverlagen von Ringier laut wird. Als hätten die nicht mitgekriegt, dass die Kollegen von «Blick» und Co. immer im Vorteil waren.
Damals durften sie sich aber leider darüber nicht aufregen. Weil unterm Strich bei ihnen ja nichts anderes stand als in den Ringier-Blättern, wenn auch später. Auch Tages-Anzeiger, NZZ und sämtliche Zeitungen von CH Media wie St.Galler Tagblatt etc. haben der Regierung stets brav die Stange gehalten. Und sie wollten sich bei dieser nicht unbeliebt machen, indem sie Fragen stellen zur Ungleichbehandlung ihrer Journalisten.
Und so kam es, dass Alain Berset zum Ringier-Posterboy wurde, einen an Peinlichkeit kaum zu überbietenden Auftritt in der ersten Ausgabe des neuen Magazins «Interview by Ringier» inklusive. Man gab ihm, und er gab zurück. Tag für Tag vermeldeten die Ringier-Blätter alarmierende Coronazahlen, hinterfragten nie Massnahmen und diffamierten Kritiker der Coronapolitik. Dafür spurten sie vor, indem sie den Gesamtbundesrat vor vollendete Tatsachen stellten mit der Hilfe von gezielten Indiskretionen. Wenn alles stimmt, was ihm vorgeworfen wird, ist Alain Berset die Vollendung des medialen Politikers: Er brauchte weder Sitzungen noch Mehrheiten, er drückte seine Linie mit der Hilfe des Zeitungsstands am Kiosk durch.
Ich hätte sehr gern jede Menge Maulwürfe in der Bundesverwaltung gehabt zu Coronazeiten. Leute, die enthüllen, wie evidenzlos die Massnahmen sind, wie falsch die Aussagen rund um die Impfung, wie sinnlos die Testerei. Es wären sicherlich mehr als genug Belege herumgelegen beim Bundesamt für Gesundheit oder in der Chefetage rund um Alain Berset. Das wäre eine Heldentat gewesen: Durch gezielte Indiskretion aufzeigen, wie wir an der Nase herumgeführt oder einfach blank angelogen werden.
Das wollte aber keiner machen. Wie auch? Gäbe es bei einem Bundesamt jemanden mit Herz (oder, pardon, mit Eiern), der solche Informationen herausgegeben hätte, wäre er bei den Medien angestanden. Niemand hätte sie publizieren wollen. Weil sie gegen das sprachen, was als einheitliche Linien herausgegeben worden war. Und zwar nicht nur bei Ringier, übrigens.
Der einzige Maulwurf, den es – gemäss den Vorwürfen – in diesem Fall gab, war ein gezielter, einer, der ein bestimmtes Medienhaus mit den Informationen fütterte, von denen man wollte, dass sie auskommen.
Zur Information an die beteiligten Ringier-Journalisten: Einen Pulitzerpreis kriegt man dafür nicht. Aber vielleicht einen bequemen Job beim Bund.
Danke für Ihre Hilfe, damit diese unbequeme Stimme am Leben bleibt.