Bhakdi: Der Mann hinter dem Mythos

Im August 2021 habe ich Sucharit Bhakdi getroffen und ein langes Gespräch mit ihm geführt. Es scheint mir sinnvoll, es aus dem Archiv zu holen. Und das, was er damals gesagt hat, aus heutiger Perspektive auf den Prüfstand zu stellen.

Hinweis: Dieser Text ist als dreiteilige Serie ab dem 24. August 2021 zuerst auf nebelspalter.ch erschienen. Entsprechend sind einzelne Elemente wie der Hinweis auf eine anstehende Volksabstimmung nicht mehr aktuell.

Flughafen St.Gallen-Altenrhein, kurz vor 12 Uhr mittags. Soeben ist ein Privatflugzeug aus Kiel gelandet. Sucharit Bhakdi (75) und seine Frau Karina Reiss mitsamt ihrem kleinen Sohn haben diese Option nicht etwa gewählt, weil sie bequemer ist. Linienflüge sind für Bhakdi und seine Familie nicht mehr möglich. Denn die Coronaauflagen, denen er sich unterwerfen müsste, sind für ihn indiskutabel. Dietrich Mateschitz, Mitinhaber von Red Bull, hat die Kosten für die Reise übernommen. Corona schafft besondere Konstellationen.

Was sich Flughafen nennt, ist eigentlich mehr ein Flugplatz. Passagiere steigen aus dem Flugzeug aus und gehen zu Fuss wenige Meter zum «Arrival»-Bereich, der aus einem einzigen Schalter und etwas Wartefläche besteht. Direkt daneben das Restaurant «Wings», eher eine Kantine für die Angestellten des Flughafens und die Mitarbeiter der benachbarten Industriebetriebe.

Ohne Gesichtsmaske begibt sich Bhakdi ins Restaurant des Ankunftsterminals. Niemand hindert ihn daran, keiner spricht ihn darauf an. Er setzt sich, die Bedienung will die Bestellung aufnehmen. Er wendet sich hilfesuchend an mich.

«Muss ich etwas trinken? Im Moment will ich nichts.»

Ich schüttle den Kopf, die Bedienung verschwindet wortlos.

Bhakdi ist in kürzester Zeit zur global bedeutenden Figur geworden. Für die einen im guten, für die anderen im schlechten Sinn. Der Mediziner, langjähriger Professor und Leiter eines Instituts für Mikrobiologie, ist der Gegenentwurf der globalen Coronapolitik. Seit dem Beginn der Schlagzeilen rund um das Virus hält er unverrückbar daran fest, dass die von Politik und Medien verbreitete hohe Gefährdung der Bevölkerung nicht den Tatsachen entspreche und dass die Massnahmen dagegen unverhältnismässig und schädlich seien. In populärwissenschaftlichen Büchern und unzähligen Videos, viele davon in den gängigen sozialen Medien gesperrt, hat der aus Thailand stammende Arzt seine Überzeugung verbreitet.

Ob er richtig liegt oder falsch: Das habe ich heute nicht festzustellen. Es läge auch ausserhalb meiner Reichweite. Sicher ist: Der klein gewachsene Mann hat eine starke Aura, er zieht die Blicke der Leute auf sich, nicht durch Lautstärke und Hektik, sondern mit dem puren Gegenteil: Es ist eine schon fast beängstigende Ruhe, die er ausstrahlt. «Ich bin Buddhist», wird er später auf eine entsprechende Frage lächelnd antworten.

Danke für Ihre Unterstützung meiner Arbeit.

«Herr Bhakdi, wie geht es Ihnen?»

Bhakdi blickt um sich, nimmt den schmucklosen Raum, der an eine Betriebskantine erinnert, in sich auf. Er nimmt sich Zeit für die Antwort. Für diese und alle späteren.

«Es geht mir, wie soll ich sagen… mittelgut. Aufgrund der Situation natürlich. Schon beim Anflug haben meine Frau und ich nur eines gedacht: Da vorne ist die Schweiz. Da wollen wir hin. Einfach dorthin. In dieses Land.»

Es gehe dabei nicht nur um die Ferien, die er mit seiner Familie hier geplant hat, sagt Bhakdi.

«Die Schweiz ist ein besonderes Land. Wir haben die Hoffnung, dass die Schweizer diese ganze missliche Situation richten können. Im restlichen Europa haben wir diese Hoffnung nicht. Ich meine, nehmen Sie Deutschland. Da herrscht Angst, richtig viel Angst. In meiner Heimat, in Schleswig-Holstein, beginnen sie diese Woche damit, zehntausend Kinder zu impfen. Es gibt keinen Widerstand dagegen. Dafür sind die Deutschen zu hörig, zu ignorant und leider zu einem grossen Teil zu dumm. Und irgendwie haben wir die Hoffnung, dass es in der Schweiz anders sein könnte.»

Wenn Bhakdi die Schweiz beschreibt, ist das keine plötzlich aufflammende oder für den Journalisten erfundene Liebe, sie hat ihre Wurzeln.

«Vor 70 Jahren war ich schon hier, und es waren wahnsinnig glückliche Jahre. Gerade jetzt denke ich oft daran. Meine Mutter, eine tolle Frau, war Ärztin, mein Vater Botschafter. Wir hatten ein gutes Leben. Aber meine Eltern waren immer bescheiden. Geld und Ruhm spielten nie eine Rolle. Obwohl sie allen Grund gehabt hätten, danach zu streben.»

Bhakdis Eltern lernten sich zu Beginn des 2. Weltkriegs kennen. Der Vater war damals Sekretär der thailändischen Botschaft in Washington, gewissermassen der zweite Mann dort. Nach dem Krieg heirateten die beiden. Die Zeit vor seiner Geburt beschäftigt den Mediziner sichtlich.

«1942 wurde Thailand von Japan überrannt und ist mit einer Kriegserklärung dem Krieg beigetreten. Ich weiss nicht, ob Ihnen dieser Teil der Geschichte bekannt ist.»

Bilder: Madleina Manetsch

Ich suche fieberhaft meine gymnasiale Bildung nach ihren Reststücken ab. Thailand im 2. Weltkrieg? Da herrscht eine grosse Lücke. Aber ich nicke mechanisch, und Bhakdi beachtet es nicht weiter. Er lebt gerade in der Erinnerung.

«Thailand hat den Allierten damals den Krieg erklärt. Aber die Kriegserklärung kam dort nie an.»

Da sitzt der Mann, der im Alleingang dem Grossteil der Wissenschaft den Krieg erklärt hat und spricht plötzlich über einen ganz anderen Krieg, der 80 Jahre her ist. Aber es scheint wichtig zu sein, um ihn und seine heutigen Beweggründe zu verstehen.

«Die Kriegserklärung war ein Brief. Der Botschafter und mein Vater haben diesen Brief am nächsten Tag den zuständigen Stellen überreicht, sie sagten: ’Es ist unsere Pflicht, Ihnen diesen Brief zu überreichen’. Aber der Inhalt im Briefumschlag fehlte. Der Brief war einfach nicht da. Mein Vater war danach an der Gründung der ‘Free Thais’, der Widerstandsbewegung der Thailänder in den USA, beteiligt. Viele Thais in Amerika, die meisten davon Studenten, haben sich danach dieser Bewegung angeschlossen. Und meine Mutter war damals die erste Frau, die in den USA Medizin studiert hat.»

Es ist ein unvermittelter Übergang. Bhakdi schildert geopolitische Vorgänge, doch sie führen ihn zurück zu seiner Mutter. Es ist ihm anzuspüren, wie sehr er sich danach sehnt, darüber zu sprechen – und wie schwer es ihm gleichzeitig fällt.

«Meine Mutter gehörte in der Schule zu den drei besten Absolventen ihres Jahrgangs, damit war der Weg für sie frei für das Königsstipendium. Sie konnte sagen, was sie studieren wollte, alles war bezahlt. Sie wurde schliesslich an der John-Hopkins-Universität Ärztin. Nach dem Krieg waren meine Eltern in ihrer Heimat Helden. Mein Vater als Mitbegründer der ‘Free Thais’, meine Mutter als erste Ärztin aus dem Ausland. Das war die Wende in unserem Leben. Ich bin 1946 geboren, wenig später wurden meine Eltern in die Schweiz gesandt als Botschafter. Dort habe ich vier Jahre meines Lebens verbracht, 1948 bis 1952.»

Da sitzt dieser Mann, inzwischen 75 Jahre alt, und erinnert sich an seine früheste Kindheit in der Schweiz. Je mehr er über seine Mutter spricht, desto schwerer wird es für ihn. Bhakdis Augen werden feucht, immer öfter wendet er sich ab, blickt irgendwo in den Raum, wischt sich die Tränen weg. Die Erinnerungen nehmen ihn mit. Schliesslich fährt er fort.

Begegnungen, die zählen. In diesem Blog. Dank Ihrer Hilfe.

«In diesen Jahren, die sehr prägend sind für ein Kind, habe ich von meinen Eltern erfahren, wie ein zivilisiertes Volk, ein aufgeklärtes, ein mutiges Volk wie es die Schweizer sind, funktioniert. Wilhelm Tell. Winkelried. Das sind alles Dinge, die ich hier, bei Euch, mit fünf Jahren kennengelernt habe. Die Schweizer, das war für mich, wie soll ich es sagen, DAS Volk überhaupt. Ihr wart immer selbständig, Ihr wart immer mutig.»

Danach führte der Weg von Sucharit Bhakdi und seiner Familie zunächst zurück nach Thailand, dann für mehrere Jahre nach Ägypten. Es war der Anfang einer langen Reise.

Nach ihrer Zeit in der Schweiz kehrte Familie Bhakdi für zwei Jahre zurück in die Heimat Thailand, dann zog sie für sieben Jahre nach Ägypten, wo Sucharit Bhakdi einen grossen Teil seiner Kindheit verbrachte. Dort habe er «viel Armut und Leid« gesehen. Wenn seine Mutter mit einer Freundin, ebenfalls Ärztin, Krankenhäuser auf dem Land versorgte, war der Sohn stets dabei, erlebte die Auswirkungen von Unternährung – und von Krankeiten.

«Da waren diese Kinder mit Fliegen auf den Pupillen. Das hat mich erschüttert. Ich fragte meine Mutter, was los sei mit ihnen.»

Die Kinder waren erblindet aufgrund einer Infektion, in Entwicklungsländern bis heute ein Thema. Die Mutter erklärte ihrem Sohn, man wisse wenig darüber – es ist mehr als ein halbes Jahrhundert her –, aber es gebe eine Salbe, mit der sich die Augen heilen liessen. Auch die Bhakdi-Kinder wurden regelmässig präventiv behandelt.

«Meine Mutter sagte immer: Weisst du, die meisten Krankheiten auf der Erde kann man behandeln, es gibt so viele Medikamente, man muss nur gut genug und sein und rechtzeitig erkennen, was es ist. Du musst dir die Menschen einfach genau anschauen. Das war in den 50er-Jahren, die Medizin war noch nicht so weit wie heute. Aber daran hat sich nichts geändert.»

Waren die Kinder der Familie selbst krank und jammerten, habe sich die Mutter das angesehen und dann jeweils nur drei Worte gesagt. Sucharit Bhakdi erinnert sich lächelnd: «You won’t die», du wirst nicht sterben. Als Bhakdis Schwester schwer erkrankte, habe die Mutter diese Worte nicht gesagt – «das hat mir Angst gemacht». Sie habe die ganze Nacht am Bett des Mädchens gewacht und es schliesslich ins Spital gebracht mit der Ankündigung, in zwei Tagen werde sie wieder da sein. «Und so war es dann auch, und mich hat es wahnsinnig beeindruckt, wie man mit dem richtigen Wissen eine solche Prognose stellen kann.»

Es seien diese und viele andere Erlebnisse gewesen, die den Beschluss reifen liessen, selbst Arzt zu werden.

Mittagszeit. Das Flughafenrestaurant füllt sich. Es wird zum Kunststück, Sucharit Bhakdi akustisch noch zu verstehen. Er spricht leise, sehr leise, während sich an den Nebentischen Menschen laut austauschen. Ich erinnere mich an den 2012 verstorbenen ehemaligen Bundesrat Otto Stich, der bei Interviews zu sagen pflegte, er spreche bewusst leise, weil man dann genau zuhören müsse.

Sucharit Bhakdi wartet, bis der Geräuschpegel etwas sinkt, und nach diesen wenigen Sekunden wechselt er unvermittelt die Perspektive. Wir sind zurück in der Gegenwart.

Er sei letztes Jahr schon in der Schweiz gewesen, jetzt wieder, und das sei kein Zufall. Er wolle nicht pathetisch werden, aber:

«Ich habe die Schweizer immer geachtet, weil die meisten von ihnen an etwas Höheres glauben, nennen wir es Gott, der alles bestimmt, der einen Plan hat. Als Buddhist weiss ich nicht einmal, ob es einen Gott gibt, aber auch wir glauben, dass das Ganze hier einen Sinn hat. Unsere Familie hatte immer viele Freunde aus allen Religionen, Christen, Muslime, Juden.»

Bhakdi lenkt das Gespräch beiläufig auf einen wunden Punkt. Vor einiger Zeit wurde ihm vorgeworfen, antisemitische Äusserungen gemacht zu haben.

«Sagenhafterweise nennt man mich einen Antisemiten. Das ist absurd. Vor einigen Tagen habe ich eine Nachricht von Überlebenden des Holocaust und ihren Familien erhalten, in der diese festhalten, dass dieser Vorwurf ein Irrsinn ist, eine Lüge.»

Er geht nicht auf Details ein, spricht nicht über den Vorwurf. Aber seit seinem Studium in Deutschland habe er viele jüdische Freunde, mehr noch, er habe gelernt, wie besonders dieses Volk sei.

«Obwohl es zahlenmässig so klein ist, hat es relativ gesehen viel mehr Beiträge an die Menschheit geleistet als jedes andere, in der Wissenschaft, in der Kunst. Die Juden waren schon immer unvergleichlich. Es war für mich immer ein Privileg, sie kennenzulernen.»

Wie kommt Bhakdi auf Gott, auf die Religionen?

Weil vor einem Jahr das eingetreten sei, antwortet er, was für ihn dem Ende der Zivilisation gleichkomme und damit auch dem der christlichen Welt.

«Leute, die an Gott glauben, lassen es zu, dass sich Menschen über Gott erheben und sich ein fremdes Gen, das nicht in unseren Körper gehört, spritzen. Oder schlimmer noch: In ihre Kinder. Das ist ein Frevel an Gott, der grösste Frevel, und das sage ich als Buddhist. Gott hat dieses Gen nicht vorgesehen, das kann nicht gut gehen, und es wird nicht gut gehen.»

Ein Wissenschaftler, der von Gottes Plan spricht: Das bietet Angriffsfläche. Bhakdis Kritiker nehmen solche Vorlagen gerne auf. Solange der Mediziner die Massnahmen als sinnlos oder schädlich kritisierte, bot er weniger Angriffsfläche. Die grösste liefert er, wenn er von den Ursprüngen der heutigen Situation spricht.

Bhakdi ist überzeugt, dass das, was rund um das Coronavirus geschieht, gelenkt ist, dass es einen grossem Plan dahinter gibt. Dass er Kritikern damit Futter liefert weil es an Beweisen dafür fehlt, stört ihn nicht.

«Spätestens, seit die Impfung weltweit so durchgepeitscht wird mit totaler Unbarmherzigkeit, müsste das doch jedem klar geworden sein. Das geschieht aus eigenen Interessen der Verantwortlichen, das tun sie nicht für die Menschheit.»

Die These eines grossen Plans, Namen wie Bill Gates oder Klaus Schwab, die beteiligt sein sollen: Das alles ist mir bestens bekannt. Auch Journalisten werden oft damit konfrontiert. Aber es ist schwer im Wust einzelner Elemente wie Youtube-Clips und Dokumenten zu Personenverflechtungen die Legende von den Fakten zu unterscheiden.

«Niemand balanciert Unrecht mehr aus»

Vor allem führt jede dieser Thesen über einen Plan hinter allem zur Frage: Warum sollten sie das tun?

«Gier», saht Bhakdi. Nicht nur nach Geld, auch nach Ruhm und Macht, das sei schon immer der Antrieb jeder Führung gewesen.

«Sehen Sie, wenn alle Politiker der Welt dasselbe sagen, unisono, wenn die Medien das alles einfach weitergeben, dann kann es gar nicht anders sein, als dass sie alle Teil derselben Bewegung sind.» Die USA und Grossbritannien in den Fussstapfen von Deutschland: Für den Arzt ein Ding der Unmöglichkeit. Früher habe es immer einen Ausgleich gegeben. Habe sich ein Land unrecht verhalten, hätten andere reagiert und das Unrecht ausbalanciert. «Jetzt sind alle im Gleichschritt, das müsste die Welt doch bemerken.»

Sucharit Bhakdi lehnt sich zurück, blickt aufs Rollfeld direkt neben uns. Und sagt:

«Nur die Schweiz nicht, übrigens. Die Schweiz steht ausserhalb.»

Die Schweiz, die ebenfalls von Maskenpflicht zu Lockdown taumelt und in der eine zumindest indirekte Impfpflicht weitgehend unwidersprochen bleibt? Was macht unser Land so besonders?

«Ihr seid eine Insel. Euch wird man in Ruhe lassen. Und ich sage Ihnen gerne, weshalb.»

Die Schweiz als Insel. Das Bild ist nicht neu. Viele haben uns schon vor Corona so gesehen, gelegentlich auch wir selbst. Aber was macht uns in der aktuellen Situation zu einer Insel?

Sucharit Bhakdi hat in der Schweiz mittlerweile ein grosses Netzwerk, wie er erzählt. «Aus Menschen, die viel wissen, aus allen Bereichen, und die das Ganze durchschauen.» Abgeleitet von einer Aussage der US-Politikerin Catherine Austin Fitts spricht Bhakdi von einem «Mister Global», der hinter Corona stecke. Die Wirtschaft sei darin die Nummer 1, die Politik sekundiere.

«Die Agenda geht von den Reichsten aus, und sie haben die Politiker in der Hand. Wer mitmacht, dem geht es gut, wer nicht, dem nicht.»

Die USA als Mitte des Netzwerks

Im Kern stehe die USA als reichstes Land, sie sei «das Epizentrum», die globale Vernetzung gehe von dort aus. Der Commonwealth mit Grossbritannien und seinen früheren Kolonien sei darin verstrickt und spiele mit, um Repressalien zu entgehen. «Auch China ist wohl mit von der Partie, es ist doch kein Geheimnis mehr, dass das Virus aus einem Labor stammt.» Für Bhakdi haben die Ereignisse rund um Corona «einen militärischen Touch», die Nato sei mit an Bord.

Und deshalb spiele die Schweiz eine besondere Rolle.

«Ihr seid nicht bei der Nato, ihr seid kein Teil eines Verbunds, ihr gehört nicht dazu, auf euch kann man keinen Druck ausüben. Auch wirtschaftlich ist die Schweiz so aufgestellt, dass sie das Geld der Reichsten nicht braucht. Deshalb lässt man euch in Ruhe.»

Er habe im Übrigen nichts gegen Reiche, sagt Bhakdi, wenn sie ihr Geld ehrlich verdient haben. Würde der Impfstoff die Menschheit wirklich vor einer tödlichen Gefahr retten, dann solle man seinen Schöpfern den Nobelpreis und alles Geld der Welt geben.

«Ich bin kein Neider. Ein Buddhist lernt, drei Eigenschaften zu pflegen: Erstens Empathie, zweitens, sich am Glück anderer zu freuen und drittens, immer in der Mitte zu sein, nie zwischen den Extremen zu schwanken.»

Und weiter:

«Die Schweiz ist das einzige zivilisierte Land, das dem Ganzen entkommen kann, weil es jeden Grund gibt für ‘Mister Global’, das zuzulassen. In diesem Volk steckt eben doch noch ein bisschen Winkelried. Das habt ihr mit 40 Prozent Nein zum Covid-Referendum im Juni gezeigt, das hat uns Hoffnung gemacht. Das zweite Referendum im November wird durchkommen, die Schweiz wird es der Welt zeigen. Denn dieses Volk weiss, dass sie das tun darf, dass es die anderen nicht verhindern werden. Die Schweiz kann zur Insel der Glückseligkeit werden.»

Ich frage mich, ob Sucharit Bhakdi unser Land hier gerade romantisiert. Auch hier hat Corona zu einer gesellschaftlichen Spaltung geführt, das Denunziantentum gefördert, ein Massnahmenchaos ausgelöst. Das alles geduldet von einem grossen Teil der Menschen. Es gibt überzeugte Befürworter und Kritiker der Massnahmen, vor allem aber eine grosse, passive Mitte. Wieder stellt sich die Frage nach dem Warum.

Es sei ein «teuflisch durchdachter Plan», sagt Bhakdi, «perfekt, ich hätte nie gedacht, dass das möglich ist, ich muss meinen Hut ziehen.» Das Spiel mit der Angst sei eines, das man gewinnen könne, wenn man es richtig mache. Rund um Corona kommen für ihn Ängste zusammen, die kaum zu überwinden seien.

«Zuerst ist da die Angst vor einem unbekannten Virus, einem Killervirus, dessen Existenz man nicht einmal zeigen muss, um diese Angst zu erzeugen. Wir wissen seit neun Monaten, dass es kein Killervirus ist, dass es für Menschen unter 70 und vor allem für Kinder nicht gefährlicher ist als ein Grippevirus. Dennoch gelingt es der Politik und den Medien, diese Angst aufrecht zu erhalten.»

Die Medien, einst die kontrollierende vierte Gewalt, sind für Bhakdi heute «Strohmänner und Marionetten, die dem Ruf des Goldes folgen, und ‘Mister Global’ hat dieses Gold.»

Aus Bhakdis Stimme ist kein Zweifel zu hören. Aber wie gross muss die eigene Überzeugung sein, um diesen Standpunkt gegen den grossen und viel stärker hörbaren Teil der Wissenschaft zu vertreten? Hat er nie auch nur einen Moment gezweifelt an dem, was er glaubt?

Er richtet sich im Stuhl auf und fixiert mich.

«Moment. Ich glaube nicht. Entweder ich weiss etwas, dann stehe ich auf und spreche, oder ich glaube, dann bleibe ich sitzen und schweige. Wir haben unser erstes Buch zu Corona vor einem Jahr geschrieben, und jeder kann überprüfen, dass sich alles darin bewahrheitet hat. Im zweiten Buch haben wir beschrieben, wie sich durch den Impfstoff Blutgerinsel bilden, bevor das ein allgemeines Thema war. Wir glauben nicht. Wir sind Wissenschaftler.»


Die Kraft, das zu tun, was er tut, habe ihm bisher nie gefehlt. Als Arzt habe er die Pflicht, jemanden zu behandeln, der krank ist, und das versuche er zu tun, «ich will meine Mitmenschen behandeln». Bhakdi erinnert an Hippokrates und den Eid, den jeder Arzt ablegt: Sein Leben in den Dienst der Menschheit zu stellen.

«Wenn ich sehe, wie meine Kollegen dieses Gelübde brechen, verliere ich jeden Glauben an die Ärzteschaft. Das sieht übrigens in der Schweiz nicht anders aus, aber ich glaube, dass das Volk hier stärker ist.»

Sucharit Bhakdi ist 75. Er sieht jünger aus und wirkt vital. Dennoch ist es schwer vorstellbar, dass es nicht an ihm zehrt, was er seit Monaten täglich zu bewirken versucht und dabei auf viel Widerstand und Kritik stösst. Wie lange kann er diesen Kampf noch fechten?

Wieder versteift sich mein Gegenüber, wieder ist ein Begriff gefallen, den er nicht stehenlassen will.

«Das ist kein Kampf. Der Mensch ist so lange Mensch, wie er Empathie empfindet, sie ist die Garantie für ein zivilisiertes, glückliches Leben. Wir sind von Natur aus empathisch, wir wollen keinen Krieg, und ohne Kampf gibt es keinen Krieg. Der entsteht nur, wenn man die Empathie ablegt. Kriegstreiber wissen, wie das geht. Man kann den Menschen die Empathie austreiben mit Geld, durch Täuschung und Lügen und mit Angst. Dann ist man bereit, die Empathie zu vergessen.»

Was derzeit geschehe, zeige das, so Bhakdi. Wer Angst hat, angesteckt zu werden, weil ein anderer nicht geimpft ist, lege die Empathie für sein Gegenüber zur Seite. Das sei «perfide, aber effektiv». Er selbst lasse sich seine Empathie nicht zerstören, sie höre erst bei «Mister Global» auf.

Vor Sucharit Bhakdi und seiner Familie liegt zum Zeitpunkt des Gesprächs eine Ferienwoche in der Schweiz. Der Gedanke an die Rückkehr belaste ihn, er könne eigentlich gar nicht mehr in Deutschland leben, wo Massnahmen und Impfkampagne im Vergleich zu uns noch verschärft laufen.

Die Frage liegt nahe: Wie wäre es denn mit der Schweiz als neuem Zuhause?

«Wir tragen diesen Gedanken mit uns herum. Sehr ernsthaft sogar. Aktuell ist es aufgrund der familiären Situation sehr schwer möglich. Wäre das anders, wären wir vermutlich schon hier. Und ich hoffe weiter.»

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