26 kurze realsatirische Satiren von A bis Z: Das bietet mein letztes Buch «Das Corona-ABC». Hier für meine Blog-Leser ein Kapitel daraus als Vorgeschmack.
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B wie Bund
Der «Bund»: Das ist ein ziemlich abstrakter Begriff. 26 Kantone haben sich darauf geeinigt, sich zu einem Bund zusammenzuschliessen, um übergeordnete Fragen zu klären. Dazu braucht es natürlich eine Bundesverwaltung, die das Ganze brav administriert und einen Bundesrat, der entscheidet. Wobei «natürlich» ein grosses Wort ist, inzwischen wünschen sich viele in diesem Land, es wäre nie so weit gekommen.
Dieser Bund hat also eine gewisse Macht. Entsprechend wäre es auch wünschenswert, er wäre kompetent genug, um diese Macht sinnvoll einzusetzen. Dem einen oder anderen dürften diesbezüglich nach zwei Coronajahren einige Zweifel gekommen sein. Dafür gibt es viele gute Beispiele. Der Einfachheit halber und um den Rahmen dieses kleinen Machwerks hier nicht zu sprengen, picke ich eines davon heraus. Es geht um die Intensivstationen. Denn die waren, jedenfalls nach dem verbreiteten Narrativ, stets in höchster Gefahr. Und zwar aufgrund der Ungeimpften, die es offenbar auf Teufel komm raus darauf angelegt hatten, an einem Beatmungsgerät zu enden, rund um die Uhr betreut von einer Vielzahl von Fachkräften. Was natürlich, ich erzähle es brav unseren Bundesbehörden nach, das Gesundheitssystem an den Anschlag bringt.
Wer eine solche Geschichte auftischt, kann sie im Idealfall belegen. Glücklicherweise – für den Bund – war es während Corona allerdings nie nötig, etwas zu beweisen. Es reichte, etwas zu behaupten, und die fetten Schlagzeilen der Zeitungen machten dann daraus so etwas wie eine gefühlte Wahrheit, jedenfalls für eine Mehrheit ihrer Leser.
Wir konnten es immer wieder lesen: Die Impfung ist die Antwort auf alle Fragen und die Lösung des Problems, und der beste Beweis dafür war, dass nach dem Start der Impfkampagne fast nur Ungeimpfte auf den Intensivstationen landeten. Das wäre in der Tat ein ziemlich klarer Hinweis auf die Wirksamkeit der Impfung und die Doofheit aller Leute, die sich der Spritze verweigern. Wenn es wirklich so wäre. Und wenn es sich wirklich hätte nachweisen lassen.
Das Problem war stets, dass der Bund seine Behauptung selbst nicht belegen konnte. Gut, das lässt sich auch leicht erklären. Wenn sich eine staatliche Verwaltung im fortgeschrittenen 21. Jahrhunderts noch auf die Technologie des Faxgeräts verlässt (siehe auch X) und es nicht schafft, die Zahlen aus den Spitälern in 26 Kantonen zu bündeln und zu einem klaren Bild zu verdichten, dann wird es eben schwierig. Wir können nur beten, dass es eines Tages die Möglichkeit gibt, Informationen durch die Luft zu teilen und in übersichtlichen Zusammenfassungen zu präsentieren. Falls es jemals so sein sollte, schlage ich vor, dass wir dafür Begriffe verwenden wie «Internet», «E-Mail», «Cloud», «Excel» und so weiter. Das ist derzeit natürlich pure Fiktion, und ich habe diese Worte gerade frei erfunden. Vielleicht gibt es das alles, wenn meine Enkel erwachsen sind.
Weil wir derzeit technologisch so limitiert sind, stand beispielsweise Ende 2021 nur ein Bericht von Mitte Oktober 2021 zur Verfügung, der einen Blick auf die Lage in den Intensivstationen erlaubte. Wobei natürlich nicht auf alle, in einem riesigen Land wie der Schweiz wäre das zu viel verlangt. Viele Spitäler gaben gegenüber dem Bundesamt für Gesundheit «Meldeverzögerungen» als Grund an. Auch das ist verständlich, Rauchzeichen sind ziemlich unzuverlässig, wenn starker Wind weht.
In einem Spital gibt es Eintritte und Austritte. Jemand belegt ein Bett, irgendwann gibt er es frei, ein anderer legt sich rein. Es ist sicher ein Ding der Unmöglichkeit, da die Übersicht zu behalten, das verstehe ich. Es ist nur schon ein Wunder, dass nicht zeitweise zwei Leute im selben Bett liegen. Wie soll man da bitte den Bund darüber informieren, was gerade geht? Klar, gäbe es Computer, die sich über eine grössere Entfernung miteinander verbinden lassen, so dass Daten hin- und hergeschickt werden können, liesse es sich machen, aber wie gesagt, das ist reine Zukunftsmusik. Gerade in einem Land wie der Schweiz, das auf Block und Bleistift setzt.
Wenn man keine Ahnung haben kann, was gerade geht, dann weiss man natürlich auch nicht im Detail, wer gerade in der Intensivstation liegt. Geimpft? Ungeimpft? Meine Güte, Verzeihung, keine Ahnung. Ganz zu schweigen davon, dass man diese Information an eine zentrale Stelle weiterleiten kann! In der Schweiz gibt es über 270 Spitalbetriebe, 21 davon waren auf freiwilliger Basis bereit, sich einem System anzuschliessen, das den Bundesverwaltung aktuelle Informationen liefert. Der Rest befand wohl, man habe genug damit zu tun, auf dem Zählrahmen die Ein- und Austritte zu kontrollieren.
Klar, es gibt ein paar Fragezeichen. In anderen Bereichen war die Schweiz ja erstaunlich fix in Bezug auf neue Technologien. Zum Beispiel beim Covid-Zertifikat. Das wurde in kürzester Zeit eingeführt, zehntausende von Betrieben wurden daran angeschlossen und so ein funktionierender Kontrollmechanismus übers ganze Land hinweg installiert. Aber eben, das ist eine Kleinigkeit verglichen mit der Jahrhundertaufgabe, von einem Spital zu verlangen, dass es periodisch dem Bund durchgibt, wer gerade auf den sieben Intensivbetten liegt.
Deshalb wussten wir im Grunde nie irgendetwas Handfestes über den Impfstatus der Leute in den Spitälern. Es gab sogar solche «mit unbekanntem Status», vermutlich Personen, die sich gerade nicht daran erinnern konnten, ob sie eine Spritze erhalten haben oder nicht. Was tut man in Zeiten der Unsicherheit? Man geht einfach mal von dem aus, was man gern hätte. Sprich: Natürlich liegen vor allem Ungeimpfte in den Krankenhäusern. Muss ja so sein, denn den Geimpften hatte man ja einen leichteren Krankheitsverlauf versprochen.
Persönlich fände ich es übrigens nicht weiter tragisch, wenn die Schweiz im Fax-Zeitalter stecken bleiben würde. Dann wäre es den Steuerbehörden nicht so schnell möglich, herauszufinden, dass ich dem Staat noch Geld schulde. Erstaunlicherweise ist er dazu aber sehr fix in der Lage. Geht es um Einnahmen, dann glühen die Datenleitungen zwischen Bund und Kantonen. Es nützt nicht mal was, wenn man in aller Eile umzieht, um sich den Steuerschergen zu entziehen: Die EDV ist auf Zack. Ausser eben im Gesundheitswesen. Dort müsste man hochkomplexe Prozesse durchführen, beispielsweise beim Eintritt ins Spital eine Box bei «Geimpft» oder «Ungeimpft» anklicken und dafür sorgen, dass die Information zur nächsten Instanz gelangt.
Und das, eben, ist aktuell technisch einfach nicht machbar. Verzeihung.